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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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kleines Geschöpf namens Microphallus, die Schnecke kastriert, verschafft er Schnecken mit neuen Schlössern einen ungeheuren Vorteil. Derzeit führt Lively in seinem Labor das entscheidende Experiment durch, das zeigen soll, ob die Anwesenheit von Parasiten tatsächlich eine Schnecke, die sich ungeschlechtlich fortpflanzt, daran hindert, eine sich sexuell vermehrende Schnecke zu ersetzen. 59 Der Fall der neuseeländischen Schnecken hat in hohem Maße dazu beigetragen, Kritiker der Roten Königin zufriedenzustellen. Noch beeindruckter allerdings waren diese von Livelys Untersuchungen an einem kleinen in Mexiko vorkommenden Jungfernkärpfling. Dieser Fisch hybridisiert gelegentlich mit einem anderen zu einem triploiden Hybrid (einem Fisch also, der seine Gene wie ein Bürokrat in dreifacher Ausfertigung lagert). Die Hybridfische können sich nicht sexuell fortpflanzen, die Weibchen allerdings produzieren – als Jungfrauen – jungfräuliche Klone ihrer selbst, solange sie Spermien von einem normalen Fisch erhalten. Lively und Robert Vrijenhoek von der Rutgers University in New Jersey fingen Jungfernkärpflinge in drei verschiedenen Tümpeln und bestimmten bei ihnen die Zahl der von einer Wurminfektion, der sogenannten Schwarzfleckenkrankheit, verursachten Zysten. Je größer die Fische, um so mehr schwarze Flecken hatten sie. Doch im ersten Tümpel, dem »Log Pool«, fanden sie auf den Hybriden weit mehr schwarze Flecken als auf den sich sexuell vermehrenden Jungfernkärpflingen, vor allem wenn diese relativ groß waren. Im zweiten Tümpel, dem »Sandal Pool«, existierten zwei verschiedene sich ungeschlechtlich vermehrende Klone nebeneinander, wobei der zahlenmäßig vorherrschende Klon stärker von Parasiten befallen war, der seltenere Klon und die sich sexuell vermehrenden Klone hingegen waren großenteils immun. Genau das hatte Lively prophezeit, denn er hatte argumentiert, daß die Würmer ihre Schlüssel den am häufigsten vorkommenden Schlössern im Tümpel anpassen würden, das heißt also denen des zahlreichsten Klons. Warum? Weil dann die Chance, auf ein passendes Schloß zu treffen, stets größer ist. Somit wäre der seltene Klon relativ sicher, ebenso die sich sexuell vermehrenden Jungfernkärpflinge, bei denen jeder über ein anderes Schloß verfügte.
    Noch faszinierender waren die Verhältnisse jedoch im dritten Tümpel, dem »Heart Pool«. Dieser war 1976 während einer Dürre eingetrocknet und zwei Jahre später von einigen wenigen Jungfernkärpflingen rekolonisiert worden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung. 1983, gab es in diesem Tümpel zahlreiche Jungfernkärpflinge, die aus Inzucht hervorgegangen waren. Diese sich sexuell vermehrenden Fische waren anfälliger für schwarze Flecken als die Klone im selben Tümpel. Bald stammten mehr als fünfundneunzig Prozent der Jungfernkärpflinge im Heart Pool von ungeschlechtlichen Klonen. Auch das stimmt mit der Theorie der Roten Königin überein, denn Sexualität taugt nichts, wenn keine genetische Variabilität herrscht: Man kann keine Schlösser ändern, wenn nur ein Typ von Schloß zur Auswahl steht. Lively und Vrijenhoek setzten in dem Tümpel einige Weibchen aus Populationen mit einem höheren Anteil an sexueller Vermehrung aus – sozusagen als Quelle neuer Schloßformen. Innerhalb von zwei Jahren waren die sich sexuell vermehrenden Jungfernkärpflinge nahezu immun gegen schwarze Flecken, die sich nunmehr dem Angriff auf die Hybrid-Klone zugewandt hatten. Über achtzig Prozent der Jungfernkärpflinge in dem Tümpel pflanzten sich nunmehr geschlechtlich fort. Um der Sexualität aus ihrem doppelten Nachteil herauszuhelfen, hatte also eine kleine Prise genetischer Variabilität ausgereicht. 60
    Diese Studie über Jungfernkärpflinge macht sehr anschaulich deutlich, wie Sexualität Wirtsorganismen in die Lage versetzt, ihre Parasiten in eine Zwickmühle zu treiben. Wie John Tooby es formulierte: Parasiten können sich ihre Entscheidung einfach nicht vorbehalten. Sie müssen unablässig »wählen«. Im Wettstreit miteinander sind sie ständig auf der Jagd nach der am häufigsten vorkommenden Wirtsart und vergiften damit ihren eigenen Brunnen, indem sie die seltenere Wirtsart fördern. Je besser ihre Schlüssel in die Schlösser des Wirts passen, desto rascher sieht sich der Wirt dazu veranlaßt, sein Schloß zu ändern. 61 Sexualität läßt den Parasiten immerfort im Zweifel. In Chile hatten sich einst importierte europäische Brombeerpflanzen zu einer

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