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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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variieren, bevor die Parasiten zum Angriff ansetzen. Männer sind trotz alledem nicht überflüssig; sie sind der Versicherungsschutz einer Frau gegen Fälle wie Kindstod durch Grippe-Epidemien und Pocken (falls das ein Trost ist). Frauen nehmen Spermien in ihre Eier auf, weil andernfalls (wenn sie den eigenen Chromosomensatz einfach nur verdoppelten) die entstehenden Babys gegenüber dem erstbesten Parasiten, der ihre genetischen Schlösser knacken kann, alle gleich verwundbar wären.
    Bevor aber die Männer nun ihre neugewonnene Bedeutung zu feiern beginnen, bevor an den Feuern die Trommeln gerührt und Epen über Krankheitserreger verfaßt werden, sollen sie vor einem neuen Angriff auf ihre Existenzberechtigung zittern. Sie sollten etwas über Pilze erfahren. Schließlich pflanzen sich viele Pilze geschlechtlich fort, ohne jemals männliche Organismen zu entwickeln. Bei ihnen gibt es Tausende von verschiedenen Geschlechtern, die alle gleich aussehen, alle in gleichem Maße zur Paarung untereinander fähig sind, jedoch nicht zur Paarung mit dem eigenen Geschlecht. 70 Sogar im Tierreich gibt es viele Organismen, die als Hermaphroditen leben, Regenwürmer beispielsweise.
    Die Tatsache, daß es eine geschlechtliche Fortpflanzung gibt, setzt nicht notwendigerweise die Existenz verschiedener Geschlechter voraus, schon gar nicht von zwei Geschlechtern und erst recht nicht von zwei Geschlechtern, die so verschieden sind wie Mann und Frau. Auf den ersten Blick scheint die Art der sexuellen Fortpflanzung mit nur zwei Geschlechtern sogar die blödsinnigste zu sein, denn sie bedeutet, daß ganze fünfzig Prozent aller Leute, die man trifft, als Paarungspartner nicht in Frage kommen. Wären wir Hermaphroditen, wäre jeder ein möglicher Partner. Verfügten wir über zehntausend Geschlechter, wie jeder gängige Giftpilz, dann träfen wir bei neunundneunzig Prozent aller Begegnungen auf einen potentiellen Partner. Gäbe es bei uns drei Geschlechter, dann kämen zwei Drittel der Leute, denen wir begegneten, in Frage. Es wird deutlich, daß die Erklärung der Roten Königin für die sexuelle Fortpflanzung des Menschen nur der Anfang einer langen Geschichte ist.

VIER
GENETISCHE MEUTEREI UND GESCHLECHT
    Der Schildkröt lebt im Panzer eingezwängt,
Der praktisch sein Geschlecht verhängt.
Ich find’ es ganz schön raffiniert,
wie er in dieser Klemme eifrig prokreiert.
    Ogden Nash
     
    Im Mittelalter gab es in einem typischen britischen Dorf einen Dorfanger, auf dem alle Bewohner ihr Vieh gemeinsam weideten. Die Weide gehörte allen, und jeder konnte dort so viele Rinder grasen lassen, wie er wollte. Als Folge davon wurden die Wiesen häufig überweidet, so daß sie schließlich nur noch für einige wenige Rinder ausreichten. Wäre jeder Dorfbewohner dazu angehalten worden, sich ein wenig einzuschränken, dann hätte der Dorfanger weit mehr Tiere ernähren können.
    Diese »Tragödie des kleinen Mannes« 1 hat sich in der Geschichte der Menschheit zahllose Male wiederholt. Jedes Fischfanggebiet, das befahren wurde, war nur zu bald überfischt, und die Fischer verarmten.
    Wale, Wälder und Wasseradern erfuhren dasselbe Schicksal. Für den Ökonomen reduziert sich die Tragödie des kleinen Mannes auf eine Frage der Eigentumsverhältnisse. Die Tatsache, daß der Dorfanger oder das Fanggebiet nicht einem einzelnen gehört, bedeutet, daß den durch Überweidung oder Überfischung entstandenen Schaden jeder zu gleichen Teilen mitträgt. Demjenigen aber, der die eine Kuh zuviel hat weiden lassen, oder demjenigen, der das eine Netz zuviel gefischt hat, fällt der volle Ertrag jener Kuh oder jenes Fangs trotzdem zu. Somit steckt er den Gewinn als Privatmann ein und überläßt die Kosten der Öffentlichkeit. Dieses Verhalten, das dem einzelnen nützt, schadet der Gemeinschaft.

Weshalb sind Menschen keine Hermaphroditen?
    Keine der bisher diskutierten Theorien ist imstande zu erklären, weshalb es zwei Geschlechter gibt. 2 Warum ist nicht jedermann ein Hermaphrodit, teilt seine Gene mit anderen und umgeht im übrigen die Kosten für die Männlichkeit – indem er selbst auch dem weiblichen Geschlecht angehört? Weshalb überhaupt zwei Geschlechter, auch bei Hermaphroditen? Warum händigt nicht jeder jedem in völliger Gleichberechtigung Genpäckchen aus? Die Frage »Warum gibt es die Sexualität?« ist sinnlos ohne die Frage: »Warum gibt es die Geschlechter?«
     
    Zufällig gibt es darauf eine Antwort. Dieses Kapitel handelt von dem

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