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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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ihre eigene Weitergabe an die nächste Generation zu sichern. Sie dringen in jedes Ei eines Insekts ein. 11 Ein anderes Insekt, eine Schildlaus, ist Sitz eines noch seltsameren genetischen Parasiten. Wenn die Eier der Schildlaus befruchtet werden, kann es vorkommen, daß mehr als ein Spermium ins Ei eindringt. Dann verschmilzt das eine Spermium auf ganz normale Weise mit dem Ei-Kern, während sich das andere Spermium in der Zelle herumlümmelt und bei jeder Teilung der Eizelle ebenfalls teilt. Wenn die Schildlaus heranreift, frißt das parasitische Spermium deren Keimzellen und ersetzt sie durch Kopien seiner selbst. Das Insekt produziert also Spermien und Eier, die mit ihm selbst überhaupt nicht mehr verwandt sind, ein verblüffendes Beispiel für genetischen Betrug. 12
    Die besten Gelegenheiten für egoistische Gene ergeben sich allerdings im Rahmen sexueller Vorgänge. Die meisten Tiere und Pflanzen sind diploid: Ihre Gene liegen paarweise vor. Diploidie aber ist auch eine unbequeme Partnerschaft zwischen zwei Gensätzen, und wenn Partnerschaften zu Ende gehen, kommt es nicht selten zu Feindseligkeiten.
    Die hier beschriebene Partnerschaft endet mit einem sexuellen Vorgang. Während der Meiose (vgl. S. 50), dem zentralen genetischen Prozeß der Sexualität, trennen sich die Genpaare, um Spermien und Eier zu bilden. Ganz plötzlich hat jedes Gen die Gelegenheit, auf Kosten seines Partners eigennützig zu sein. Falls es die Eizellen oder Spermien für sich reklamieren kann, lebt es weiter, während sein Partner verlorengeht. 13
    Diesen Vorgang hat in den letzten Jahren eine Gruppe junger Biologen unter die Lupe genommen. Die bekanntesten unter ihnen sind Steve Frank von der University of California in Irvine, Laurence Hurst, Andrew Pomiankowski, David Haig und Alan Grafen in Oxford. Ihre Theorie lautet wie folgt: Bei der Empfängnis erhält der Embryo nur die Hälfte seiner Gene von der Mutter. Das sind die glücklichen; die weniger glücklichen schmachten im Verborgenen und hoffen auf die zweite Ziehung – wenn sie das nächste Mal schwanger wird. Rekapitulieren wir: Wir besitzen dreiundzwanzig Chromosomenpaare, dreiundzwanzig Chromosomen von unserem Vater und dreiundzwanzig Chromosomen von unserer Mutter. Wenn wir ein Ei oder ein Spermium produzieren, nehmen wir ein Chromosom von jedem Paar, so daß wir wiederum insgesamt dreiundzwanzig Chromosomen haben. Diese können entweder alle von der Mutter oder alle vom Vater stammen oder, was wahrscheinlicher ist, eine Mischung aus beiden sein. Verwendete nun aber ein egoistisches Gen einen falschen Würfel, so daß seine Chancen, in den Embryo zu gelangen, besser als fünfzig zu fünfzig stünden, so hätte es damit einen Riesenvorteil. Nehmen wir einmal an, es ließe sein Gegenstück – das Gen also, das von dem anderen Elternteil stammt, einfach absterben.
    Solch ein Gen gibt es. Bei einer bestimmten Art von Fruchtfliegen liegt auf dem Chromosom Nummer zwei ein Gen namens segregation distorter (zu deutsch etwa »Segregationsverzerrer«), das schlicht alle Spermien absterben läßt, die die andere Kopie von Chromosom Nummer zwei enthalten. Die Fliege produziert deshalb nur die halbe Menge an Spermien. Doch jedes dieser Spermien enthält das Segregation-distorter – Gen, das somit in der Nachkommenschaft der Fliege das Monopol innehat. 14
    Nennen wir dieses Gen Kain. Zufällig ist Kain der eineiige Zwilling von Abel, das heißt, er kann seinen Bruder nicht töten, ohne sich selbst zu töten – denn die Waffe, die er verwendet, ist ein zerstörerisches Enzym, das in die Zelle gelangt – eine chemische Waffe sozusagen. Seine einzige Hoffnung besteht darin, sich selbst mit einem Apparat zu versehen, der ihn schützt, mit einer »Gasmaske«, die aus einem Gen besteht, das die Wirkung des zerstörenden Enzyms verhindert. Kain wird also Nachfahren haben, Abel nicht. Ein Gen für den chromosomalen Brudermord wird sich daher mit tödlicher Sicherheit ausbreiten, und sein Träger wird die Erde erobern. Segregation distorters und andere Brudermord-Gene werden allgemein unter dem Namen meiotic drive (auf deutsch etwa »Meiose-Ungleichgewicht«) gehandelt, denn sie sorgen dafür, daß der Vorgang der Meiose, die Beendigung der Partnerbeziehung, in einer zuvor festgelegten Richtung verläuft. 15
    Gene, die eine solche Richtungsfestlegung vornehmen, sind bei Fliegen, Mäusen und ein paar anderen Lebewesen bekannt, aber sie sind selten.
    Weshalb? Aus demselben Grund, aus dem Mord

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