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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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selten ist. Die Interessen der übrigen Gene werden durch Gesetze geschützt. Gene haben – wie Menschen auch – Besseres zu tun, als einander umzubringen. Die Gene, die Abels Chromosom geteilt haben und mit ihm untergegangen sind, hätten überlebt, wäre es ihnen gelungen, eine Technik zu entwickeln, mit der sich Kains Pläne hätten durchkreuzen lassen. Oder, anders herum ausgedrückt: Gene, welche die Pläne derjenigen vereiteln, die die Meiose zu ihren Gunsten beeinflussen, werden sich ebenso unfehlbar ausbreiten wie jene, die diesen Druck schaffen. Das Ergebnis ist ein Rote-Königin-Rennen.
    David Haig und Alan Grafen sind der Ansicht, daß eine solche Reaktion in der Tat sehr häufig stattfindet und daß sie in einer Art von genetischem Durcheinanderwürfeln besteht, dem Austausch von Chromosomenteilen. Sollte ein Chromosomenstück, das sich in nächster Nähe zu Abel befindet, urplötzlich seinen Platz mit einem Chromosomenstück tauschen, das sich in nächster Nähe zu Kain befindet, dann würde Kains Maske sang- und klanglos von Kains Chromosom entfernt und Abels Chromosom aufgepfropft. Das Ergebnis: Kain beginge Selbstmord, und Abel lebte von nun an glücklich und in Frieden. 16 Diesen Austausch nennt man Crossing-over. Er geschieht zwischen nahezu allen Chromosomenpaaren bei den meisten Tier- und Pflanzenarten. Sein einziges Resultat besteht in einer gründlicheren Vermischung von Genen – was die meisten Leute für seinen Hauptzweck hielten, bis Haig und Grafen ihre Überlegungen anstellten. Die beiden Wissenschaftler sind nämlich der Ansicht, daß ein solcher Austausch gar nicht die primäre Funktion des Crossing-over ist, sondern daß dieses dazu da ist, die intrazelluläre Rechtslage wahren zu helfen. In einer vollkommenen Welt gäbe es keine Polizisten, denn die Menschen begingen keine Morde. Polizisten wurden nicht zur Zierde der Gesellschaft eingeführt, sondern um diese vor dem Zerfall zu bewahren. Haigs und Grafens Theorie zufolge wacht das Crossing-over auf genau dieselbe Weise über die Aufteilung der Chromosomen, damit die Fairneß gewahrt bleibt.
    Das Wesen dieser Theorie lädt nicht zu bedenkenloser Zustimmung ein.
    Haig drückt es in seiner trockenen australischen Art so aus: Sie hat Ähnlichkeit mit einem Elefantenabwehrspray. Du weißt, daß es funktioniert, denn Du siehst keine Elefanten. 17
    In Mäusen und Fliegen überleben Kains Gene, weil sie ihre Masken sehr eng an sich drücken, so daß sie durch ein Crossing-over kaum zu trennen sind. Ein Chromosomenpaar aber wird von Kains Genen besonders niederträchtig heimgesucht – die Geschlechtschromosomen, bei denen kein Crossing-over stattfindet. Beim Menschen und bei vielen Tieren wird das Geschlecht durch eine Art genetisches Glücksspiel festgelegt.
    Bekommt man ein Paar X-Chromosomen von den Eltern, wird man eine Frau, bekommt man ein X und ein Y, wird man ein Mann (es sei denn, man ist ein Vogel, eine Spinne oder ein Schmetterling, dann ist es umgekehrt).
    Da Y-Chromosomen, welche die Gene zur Festlegung der Männlichkeit enthalten, mit X-Chromosomen nicht übereinstimmen, gibt es zwischen beiden kein Crossing-over. Das hat zur Folge, daß ein Kain-Gen auf einem X-Chromosom das Y-Chromosom töten kann, ohne Gefahr zu laufen, Selbstmord zu begehen. Dadurch wird das Geschlechterverhältnis in der Folgegeneration zugunsten des weiblichen Geschlechts gewichtet. Diese Kosten aber würden von der Gesamtpopulation getragen; der Vorteil hingegen, in der Nachwuchsgeneration allein vertreten zu sein, kommt einzig und allein dem Kain-Gen zugute – das Ganze verhält sich genauso wie bei den rücksichtslosen Freibeutern, welche die Tragödie des kleinen Mannes verschulden. 18

Zum Lobe einseitiger Abrüstung
    Im großen und ganzen jedoch setzt sich auch bei Genen das Allgemeininteresse gegen die Kriminalität durch. Wie Egbert Leigh es ausdrückte, das »Parlament der Gene« vertritt seine Interessen. 19 Den Leser befriedigt all das mit Sicherheit nicht. »Dieser kleine Ausflug in die zelluläre Bürokratie«, wird er sagen, »war zwar ganz amüsant, hat uns aber der Frage vom Anfang dieses Kapitels keinen Schritt nähergebracht – weshalb gibt es zwei Geschlechter?«
    Nur Geduld. Der Weg, den wir gewählt haben – die Betrachtung von Interessenkonflikten zwischen verschiedenen Gensätzen – bringt uns einer Antwort näher. Denn möglicherweise entpuppt sich das Geschlecht selbst als Teil der zellulären Bürokratie. Als männlich

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