Eros und Evolution
Heirat in das Haus des Mannes ziehen, ich stelle nur fest, daß es lange Zeit die Regel war. Es gibt nur wenige Kulturen, in denen das Gegenteil der Fall ist. Somit ist die menschliche Gesellschaft – genauso wie die der Menschenaffen, im Gegensatz aber zu den meisten anderen Affengesellschaften – ein Patriarchat mit weiblicher Exogamie, in der Söhne den Status ihres Vaters (oder ihrer Mutter) stärker übernehmen als Töchter. Deshalb zahlt es sich für Väter mit einem hohen Sozialstatus oder für dominante Frauen oder für beide wohl eher aus, Söhne zu bekommen, während Untergebene eher Töchter haben müßten. Ist das so? Kurz: Man weiß es nicht. Bei amerikanischen Präsidenten, europäischen Aristokraten, in verschiedenen Königshäusern und bei ein paar anderen sozial ranghohen Gruppen ist das männliche Geschlecht in der Nachkommenschaft vielleicht stärker vertreten. In rassistischen Gesellschaften scheinen die Angehörigen der jeweils unterdrückten ethnischen Gruppen mit einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit eher Töchter als Söhne zu haben. Aber die Sache ist weitaus komplizierter, als es den Anschein hat, so daß hier keine Statistik verläßlich ist. Zum Beispiel entstünde bereits dadurch, daß man nach dem ersten Sohn aufhört, Kinder zu bekommen – was bei jemandem, der einen Nachfolger für seine Dynastie benötigt, durchaus der Fall sein kann –, eine statistische Verzerrung zugunsten des männlichen Geschlechts. Mit Sicherheit gibt es keine Untersuchungen, die frei von solchen Verzerrungen sind. Eine Untersuchung aus Neuseeland läßt erahnen, was sich herausstellen könnte, wenn Anthropologen und Soziologen sich die Mühe machten, die Angelegenheit genauer zu beleuchten. 59
Bereits im Jahre 1966 hatte Valerie Grant, Psychiaterin an der University of Auckland in Neuseeland festgestellt, daß Mütter von Söhnen dazu neigen, dominierend zu sein, und emotional weniger belastet sind als Mütter von Töchtern. Sie testete fünfundachtzig Frauen im ersten Drittel ihrer Schwangerschaft mit Hilfe eines Standardtests zur Unterscheidung »dominanter« Persönlichkeiten von »unterwürfigen« Charakteren – was immer das im einzelnen heißen mag. Jene Frauen, die später Töchter gebaren, hatten auf der Dominanzskala, die von 0 bis 6 reichte, im Durchschnitt einen Wert von 1,35. Diejenigen aber, die später einen Sohn gebaren, erreichten durchschnittlich 2,26 Punkte; dieser Unterschied ist signifikant. Das Interessante ist, daß Grant diesen Test unternommen hatte, bevor Trivers und Willard ihre Theorie publizierten.
»Ich kam auf diesen Gedanken ganz unabhängig von jeder anderen Untersuchung auf Gebieten, in denen sich eine solche Erkenntnis normalerweise ergeben würde«, erzählte Grant mir. »Für mich entsprangen diese Überlegungen dem Widerwillen dagegen, Frauen die Verantwortung für ein Kind ›falschen‹ Geschlechts aufzubürden.« 60 Ihre Arbeit ist der einzige Hinweis darauf geblieben, daß der mütterliche Sozialstatus das Geschlecht der Kinder in einer Art und Weise beeinflussen könnte, wie es die Trivers-Willard-Theorie vorhersagt. Falls das kein reiner Zufall ist, ergibt sich daraus die Folgefrage, wie Menschen es schaffen, unbewußt etwas zu erreichen, was sie bereits seit zahllosen Generationen vergeblich bewußt anstrebten.
»Marktwert« der Geschlechter
Kaum ein Thema ist so mythen- und legendenbeladen wie das Bestreben, das Geschlecht der eigenen Kinder zu beeinflussen. Sowohl Aristoteles als auch der Talmud empfehlen, das Bett in Nord-Süd-Richtung aufzustellen, wenn man Jungen haben möchte. Anaxagoras’ Überzeugung, man würde Knaben zeugen, wenn man den Geschlechtsverkehr auf der rechten Seite liegend vollzöge, war von solch immensem Einfluß, daß sich Jahrhunderte später ein paar französische Adlige den rechten Hoden entfernen ließen. Wenigstens rächte sich das Schicksal an diesem griechischen Philosophen und Anhänger des Perikles. Er wurde von einem Stein erschlagen, den eine Krähe hatte fallen lassen. Der Vogel war zweifellos eine retrospektive Reinkarnation irgendeines französischen Adligen, der sich den rechten Hoden hatte abnehmen lassen, um daraufhin sechs Mädchen zu zeugen. 61
Es handelt sich hier um ein Thema, das schon immer Scharlatane angezogen hat wie ein Kadaver die Schmeißfliegen. Die Ratschläge der alten Weiber, die den flehenden Vätern über Jahrhunderte immer wieder gegeben wurden, sind großenteils unbrauchbar. Die Japanese Sex
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