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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Selection Society propagiert die Anwendung von Kalzium zur Erhöhung der Chancen auf einen Jungen – ein nicht sehr erfolgreiches Rezept, wie sich zeigte. Ein im Jahre 1991 von zwei französischen Gynäkologen publiziertes Buch behauptet das genaue Gegenteil: Eine sechs Wochen lang vor der Befruchtung eingenommene kalium- und natriumreiche, aber kalzium- und magnesiumarme Diät erhöhe die Chancen einer Frau, einen Jungen zu bekommen, auf achtzig Prozent. Eine amerikanische Firma, die »Geschlechts-Kits« für 50 Dollar das Stück auf den Markt gebracht hatte, ging bankrott, nachdem die Aufsichtsbehörden ihr Betrug am Kunden nachweisen konnten. 62
    Auch die modernen wissenschaftlichen Methoden sind nicht wesentlich verläßlicher. Sie alle beruhen auf dem Bestreben, im Labor Y- und X-enthaltende Spermien zu trennen; letztere enthalten dreieinhalb Prozent mehr DNA. Eine von dem amerikanischen Wissenschaftler Roland Ericsson entwickelte und weithin patentierte Technik wird als besonders erfolgreich bezeichnet, doch Ericsson hat bisher noch keine überzeugenden Daten publiziert. Bei dieser Technik läßt man Spermien durch Eiweiß schwimmen, wobei das schwerere X-Spermium langsamer vorwärtskommt als das Y-Spermium. Larry Johnson vom United States Department of Agriculture hat hingegen eine in der Tat äußerst wirksame Methode zur Geschlechtsbestimmung entwickelt (mit ungefähr achtzigprozentiger Erfolgsquote), die allerdings für den Menschen gänzlich ungeeignet ist. Dabei wird die Spermien-DNA mit einem Fluoreszenzfarbstoff gefärbt und dann im Gänsemarsch durch einen Detektor geschickt, der sie über zwei Kanäle nach ihrer Helligkeit sortiert. Die X-Chromosomen sind, da sie mehr DNA enthalten, heller gefärbt. Der Detektor sortiert die Spermien zu Hunderttausenden pro Sekunde, und man kann sie danach zur Reagenzglasbefruchtung von Eizellen verwenden. Kein Mann mit klarem Verstand aber würde seine Spermien solchen Farbstoffen aussetzen und eine kostspielige In-vitro -Fertilisation durchführen lassen, nur um einen Sohn zu bekommen. 63 Kurioserweise hätten wir Menschen es weit einfacher, die Chancen für Nachkommen des einen oder des anderen Geschlechts zu beeinflussen, wenn wir Vögel wären, denn bei den Vögeln ist es die Mutter, die das Geschlecht des Embryos festlegt, nicht der Vater. Vogelweibchen haben ein X- und ein Y-Chromosom (manchmal auch nur ein X), Männchen hingegen zwei X-Chromosomen. Ein Vogelweibchen kann ein Ei des gewünschten Geschlechts legen und jedes beliebige Spermium zu dessen Befruchtung »heranziehen«. Von dieser Möglichkeit machen Vögel tatsächlich Gebrauch. Weißkopf-Seeadler und manche Falken legen oft zuerst ein weibliches Ei und erst danach ein männliches. Damit hat das Weibchen einen Vorsprung gegenüber dem Männchen, so daß es größer werden kann (weibliche Raubvögel sind meistens größer als männliche). Dreizehenspechte ziehen doppelt so viele Söhne groß wie Töchter und verwenden die übrigen Söhne als Kindermädchen für die folgende Brut. Bei den Zebrafinken haben, wie Nancy Burley von der University of California in Santa Cruz feststellte, »attraktive« Männchen, die sich mit »unattraktiven« Weibchen paaren, in der Regel mehr Söhne als Töchter und umgekehrt. Bei dieser Art läßt sich die Attraktivität durch einen einfachen Trick verändern, indem man rote (attraktive) oder grüne (unattraktive) Bändchen um die Beine des Männchens bindet, beziehungsweise schwarze (attraktive) oder hellblaue (unattraktive) Bändchen um die Beine des Weibchens. Dadurch werden sie für andere Zebrafinken zu mehr oder weniger erstrebenswerten Paarungspartnern. 64
    Nun sind wir aber keine Vögel. In Ländern, wo der Staat der Überbevölkerung Herr zu werden versucht, indem er nur ein Kind pro Familie erlaubt, werden mangels sicherer Methoden der Geschlechtsbestimmung viele weibliche Embryonen abgetrieben! Diese Praktiken werden auch in anderen Ländern angewandt, in denen es in irgendeiner Weise nachteilig für die Eltern ist, Mädchen großzuziehen. Zwischen 1979 und 1984 wurden in China mehr als 250000 weibliche Säuglinge unmittelbar nach der Geburt getötet. 65 In manchen Altersgruppen kommen in China auf 100 Mädchen 122 Jungen. Bei einer vor kurzem in Bombay durchgeführten Studie stellte sich heraus, daß bei 8000 Abtreibungen in 7997 Fällen weibliche Feten betroffen waren. 66
    Möglicherweise lassen sich auch manche Daten aus dem Tierreich mit »bewußten«

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