Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
Vom Netzwerk:
sämtliche väterlichen Chromosomen mit Ausnahme seiner selbst vernichtet. Die nunmehr auf den haploiden mütterlichen Chromosomensatz reduzierten Eier entwickeln sich zu Männchen. PSR findet sich überall dort, wo Weibchen in der Überzahl sind, und hat den Vorteil auf seiner Seite, dem selteneren und daher begehrten Geschlecht anzugehören. 45 In groben Umrissen lautet die Theorie der Geschlechtszuweisung etwa so: Im Tierreich wird das den Umständen am ehesten angemessene Geschlecht gewählt, es sei denn, man ist dazu gezwungen, sich der genetischen Lotterie von Geschlechtschromosomen zu unterwerfen. In den letzten Jahren ist den Biologen aber immer deutlicher klargeworden, daß eine genetische Lotterie durch Geschlechtschromosomen mit einer Geschlechtsbestimmung nicht ganz unvereinbar ist. Denn wenn Säuger und Vögel in der Lage wären, zwischen X- und Y-Spermien zu unterscheiden, dann könnten auch sie das Geschlechtsverhältnis bei ihren Nachkommen in die eine oder andere Richtung beeinflussen, und die Selektion würde sie ebenso dazu bringen, das zu tun, wie sie auch Krokodile und Nematoden dazu bringt, die Geschlechtsbestimmung von den günstigsten Verhältnissen für den Nachwuchs abhängig zu machen. 46

Das Erstgeborenenrecht und die Primatologie oder: Weshalb sardinenfressende Opossums Söhne bekommen
    Im Verlauf der neodarwinistischen Revolution der sechziger und siebziger Jahre brachten Amerika und Großbritannien je einen großen Revolutionär hervor, deren intellektuelle Überlegenheit bis heute unangetastet geblieben ist: John Maynard Smith und George Williams. Jedes der beiden Länder brachte darüber hinaus aber auch einen hochintelligenten Grünschnabel hervor, deren frühreife Geister die biologische Welt mit ihrem Ungestüm aufrüttelten. Das britische Wunderkind war Bill Hamilton – ihm sind wir bereits begegnet-, aus Amerika kam Robert Trivers, der als Harvard-Student der frühen siebziger Jahre eine Fülle von neuen Ideen entwickelte, die sich als ihrer Zeit weit voraus erweisen sollten. Trivers ist eine Legende der Biologie. Unkonventionell bis hin zur Exzentrizität verbringt er seine Zeit zum einen mit der Beobachtung von Eidechsen in Jamaika und zum anderen mit intensivem Grübeln in einem Kiefernwäldchen nahe Santa Cruz in Kalifornien. Eine seiner provokantesten Überlegungen entwickelte er in Zusammenarbeit mit seinem Kommilitonen Dan Willard im Jahre 1973. Sie enthält möglicherweise den Schlüssel zu einer der einfachsten und doch einflußreichsten Fragen, die ein Mensch jemals stellt: Junge oder Mädchen? 47 Es ist eine bemerkenswerte statistische Tatsache, daß sämtliche zweiundvierzig Präsidenten der Vereinigten Staaten es zusammen auf neunzig Söhne und einundsechzig Töchter brachten. Ein Geschlechterverhältnis von sechzig Prozent Männern in einer so großen Stichprobe unterscheidet sich in auffallender Weise von dem der Gesamtbevölkerung, wobei niemand weiß, wie es dazu gekommen ist – vermutlich war es reiner Zufall. Doch Präsidenten sind in dieser Hinsicht nicht allein. Königshäuser, Aristokraten und selbst gutbetuchte amerikanische Siedler haben mit bleibender Regelmäßigkeit mehr Söhne als Töchter. Genau wie gut gefütterte Opossums, Hamster, Sumpfbiber und ranghohe Klammeraffen. Die Theorie von Trivers und Willard bringt diese Beobachtungen in einen Zusammenhang. 48
    Trivers und Willard erkannten, daß dasselbe Grundprinzip, welches das Geschlecht von Fadenwürmern und Fischen festlegt, sich auch auf solche Lebewesen anwenden läßt, die das Geschlecht nicht ändern können, aber ihre Jungen selbst versorgen. Sie postulierten, daß sich bei Tieren irgendeine systematische Kontrolle über das Geschlechtsverhältnis beim Nachwuchs feststellen lassen müßte. Man stelle sich dies als einen Wettbewerb vor, bei dem es darauf ankommt, wer die meisten Enkel hat.
    Verhält sich das männliche Geschlecht polygam, dann kann Ihnen ein erfolgreicher Sohn mehr Enkelkinder bescheren als eine erfolgreiche Tochter, und ein erfolgloser Sohn bringt weniger ein als eine weniger erfolgreiche Tochter, denn er findet überhaupt keine Partnerinnen. Ein Sohn ist damit eine risikoreiche Alternative zu einer Tochter, die im Erfolgsfall reichen »Ertrag« bringt. Eine gesunde Mutter verschafft ihrem Nachwuchs eine gute Ausgangsposition für das Leben und erhöht damit die Chancen, daß ihr Sohn später einmal in der Lage sein wird, einen Harem für sich zu beanspruchen. Eine Mutter

Weitere Kostenlose Bücher