Eros und Evolution
aufregend. Daß männliches Balzverhalten dem sensorischen System der Weibchen angepaßt sein sollte, ist natürlich zu erwarten. Affen sind die einzigen Säuger mit sehr guter Farbsichtigkeit. Es überrascht daher nicht, daß sie auch die einzigen Säugetiere sind, die mit hellen Farben wie Blau oder Pink ausgestattet sind. Es ist auch nicht verwunderlich, daß Schlangen, die taub sind, einander nichts vorsingen (sie fauchen lediglich, um andere Lebewesen abzuschrecken). Man könnte tatsächlich eine ganze Reihe von »Pfauenfedern« für jeden der fünf Sinne und noch einige andere mehr auflisten. Die Pfauenfedern für das Sehen, den Gesang der Nachtigall für das Gehör, den Duft des Moschusochsen für den Geruchssinn 68 , die Pheromone einer Motte für den Geschmackssinn, die »morphologische Überladenheit« manches Insekten-»Penis« für den Berührungssinn 69 , sogar die ausgefeilten elektrischen Balzsignale mancher Fische als sechstem Sinn 70 . Jede Art wählt für die Werbung des Männchens den Sinn, den die Weibchen am besten entschlüsseln können. In gewissem Sinne kehren wir damit zu Darwins ursprünglicher Vorstellung zurück: Weibchen verfügten, aus was für Gründen auch immer, über einen gewissen Sinn für Ästhetik, und dieser Sinn formt die männlichen Ornamente. 71
Außerdem würde man erwarten, daß die Männchen eine Balzform wählen, die möglichst ungefährlich ist und die möglichst wenig kostet. Wer das tut, lebt länger und hinterläßt mehr Nachkommen als jemand, der das nicht tut. Wie jeder Vogelbeobachter weiß, steht die Schönheit eines Vogelgesangs in umgekehrtem Verhältnis zur Farbenpracht des Gefieders. Die opernreifen Sänger unter den Vogelmännchen, die Nachtigallen und Lerchen, sind von unauffälligem Braun und von den Weibchen kaum zu unterscheiden. Paradiesvögel und Fasanen dagegen, bei denen die Männchen prächtig gefärbt sind, während die Weibchen von unauffälligem Aussehen sind – sind schlichte Sänger, die sich eher in monotonem Gekrächze äußern. Interessanterweise gilt dasselbe Muster für die Laubenvögel in Neuguinea und Australien: je unauffälliger der Vogel, um so ausgefeilter und aufwendiger verziert ist seine Laube.
Man kann sagen, Nachtigallen und Laubenvögel geben ihren Ornamenten die Gestalt von Gesang und Lauben. Das hat klare Vorteile. Ein Sänger kann seinen Schmuck ausschalten, wenn Gefahr droht, ein Laubenbauer den seinen verlassen. 72
Weitere direkte Indizien für ein solches Muster finden sich bei Fischen. John Endler von der University of California in Santa Barbara beschäftigt sich mit dem Balzverhalten von Guppys und insbesondere mit den verschiedenen Farben, welche die Guppymännchen annehmen können.
Fische verfügen über eine exzellente Farbsichtigkeit; während unsereiner für das Farbensehen drei verschiedene Zellarten verwendet (Zellen, die auf Rot, Blau und Grün ansprechen), besitzen Fische vier, Vögel dagegen bis zu sieben. Verglichen mit den Farbsehfähigkeiten von Vögeln ist unser Leben monochrom. Fische haben aber zusätzlich noch deshalb ganz andere Farbeindrücke als wir, weil ihre Welt Licht verschiedener Farben auf alle möglichen Arten herausfiltert. Je tiefer sie beispielsweise leben, um so weniger rotes Licht dringt zu ihnen. Je brauner das Wasser, um so weniger Blau dringt durch, je grüner das Wasser, um so weniger Rot und Blau und so weiter. Endlers Guppys leben in den Flüssen Trinidads. Bei der Balz befinden sie sich in der Regel in klarem Wasser, in dem Orange, Rot und Blau am besten zu sehen sind. Nun sind ihre Feinde aber Fische, die in Wasser leben, in dem gelbes Licht am besten durchdringt. Es überrascht nicht, das Guppymännchen niemals gelb sind.
Die Männchen verwenden zwei Arten von Farben: ein Orangerot, das auf ein Karotinoid zurückzuführen ist, welches der Guppy aus der Nahrung gewinnen muß, und ein Blaugrün, das durch Guaninkristalle in der Haut entsteht, welche sich ablagern, wenn der Guppy geschlechtsreif wird. Guppyweibchen, die in teefarbenem Wasser leben, in welchem man Orangerot besser sieht, reagieren empfindlicher auf orangerotes Licht als auf blaues, was durchaus logisch ist. Das Gehirn dieser Guppys ist genau der Wellenlänge dieses orangeroten Karotinpigments angepaßt, welches das Guppymännchen bei der Balz einsetzt – möglicherweise läßt sich dieser Zusammenhang auch umgekehrt betrachten. 73
Von Mozart und Stärlingsgesängen
Mark Kirkpatrick, ein Kollege von Ryan an
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