Eros und Evolution
die verschiedenen Männchen miteinander zu vergleichen. Wenn der Preis gering ist, verblaßt der Fisher-Effekt langsamer, beispielsweise in Spezies, die eine Arenabalz veranstalten, bei der alle Männchen auf einmal zu besichtigen sind. Manche Merkmale aber werden nicht verblassen, weil sie zufälligerweise einen Hinweis auf die Gesundheit ihres Trägers beinhalten – beispielsweise eine Schmuckfarbe, die sich ändert, wenn das Männchen von Parasiten befallen ist. Die Weibchen werden daher auf keinen Fall aufhören, die besten Männchen auszuwählen. Sie werden weiterhin die prächtigsten Männchen aussuchen (oder sich von ihnen verführen lassen), denn damit stellen sie sicher, daß ihre Nachkommen krankheitsresistent werden. Mit anderen Worten: Merkmale, die den Zustand ihres Trägers reflektieren, werden nicht die einzigen sein, die sich bis zu höchster Überladenheit entwickeln, aber sie werden am längsten bestehenbleiben.
Und bei Spezies, deren Balz in Form einer Arenabalz stattfindet, werden sich alle überladenen Fisher-Merkmale ebenfalls erhalten, denn der Preis, den das Weibchen für die Wahl zu zahlen hat, ist gering. Bei einer Spezies mit hoher Promiskuität wird sich eine Sammlung der verschiedensten Handicaps, Ornamente und Farbkleckse zeigen. Pomiankowski hat seither (basierend auf der zuvor erwähnten Symmetrieüberlegung) Befunde zusammengetragen, die seine theoretischen Überlegungen bestätigen: das Postulat also, daß die Mehrfachmerkmale polygamer Spezies, wie die zahlreichen Verzierungen eines Pfaus, Fisher-Ornamente sind, während die Einzelmerkmale monogamer Vögel, wie der gegabelte Schwanz der Schwalben, Genqualitätsornamente oder Handicaps sind, die den Zustand ihres Trägers reflektieren. 80 Wenn Sie das nächste Mal im Frühling in den Zoo gehen, versuchen Sie einmal zu beobachten, wie ein chinesischer Diamantfasanhahn vor einer Henne balzt. Er ist geradezu eine Farborgie. Die Haut um seine Augen schimmert blaßblau. Auf dem Kopf trägt er eine scharlachrote Haube.
Seine Halskrause ist mit schwarzen Rändern abgesetzt, seine Kehle ist von irisierendem Grün, sein Rücken leuchtet smaragdgrün und königsblau, sein Bauch strahlt blütenweiß und sein Bürzel leuchtend orange. Am Schwanzansatz trägt er fünf Paar zinnoberrote Federn. Sein Schwanz ist länger als sein Körper und schwarz und weiß gestreift. Eine fehlfarbene oder beschädigte Feder wäre von weitem erkennbar. Er bildet eine einzige Werbefläche für die Qualität seiner Gene und steht ständig unter Druck, sein Gefieder sauber und gesund zu erhalten, er ist eine wandelnde Demonstration der sensorischen Ansprüche seiner Partnerin.
Der menschliche Pfau
Die Possen von Pfauen und Guppys sind für den Naturforscher zweifellos hoch interessant, auch für Leute, die sich mit der Evolution beschäftigen, eignen sie sich zur Demonstration bestimmter Gegebenheiten; alle anderen von uns aber schätzen das Studium der Pfauen und Guppys aus purer Ichbezogenheit. Wir wollen wissen, was wir daraus über die menschlichen Angelegenheiten lernen können. Gibt es wirklich Männer, die deshalb Erfolg bei Frauen haben, weil ihre äußere Erscheinung ein ehrliches Signal der naturgegebenen Qualität ihrer Gene und ihrer Resistenz gegenüber Krankheiten vermittelt?
Diese Vorstellung ist lächerlich. Männer haben bei Frauen aus vielen verschiedenen und zum Teil unterschwelligen Gründen Erfolg: Sie sind zuvorkommend oder gescheit, geistreich, gut aussehend oder reich. Die Menschheit ist einfach keine Art mit Arenabalz. Männer finden sich nicht in Gruppen zusammen, um sich vorübergehenden Frauen zu präsentieren. Die meisten Männer verlassen Frauen nicht unmittelbar nach der Kopulation. Männer zieren keine irrsinnigen Ornamente, und sie haben auch kein stereotypes Balzverhalten – wenn dies in einer durchschnittlichen Diskothek auch anders erscheinen mag. Wenn eine Frau sich für einen Mann entscheidet, gilt ihre Sorge nicht so sehr der Frage, ob er der Vater attraktiver Söhne oder krankheitsresistenter Töchter sein wird, sondern eher der Überlegung, ob er einen guten Ehemann abgeben wird. Ein Mann, der sich für eine Frau entscheidet, legt ähnlich irdische Maßstäbe an, wenngleich er vielleicht ein bißchen mehr auf Schönheit aus ist. Beide Geschlechter entscheiden nach Kriterien, die mit elterlichen Qualitäten zu tun haben. Menschen ähneln in dieser Hinsicht eher Seeschwalben, die einen Partner wählen, der gut fischen
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