Eros und Evolution
besteht, dann ist es nur logisch, daß die Evolution Männchen hervorbringt, die sich diese Präferenz zunutze machen. So ist es zum Beispiel möglich, daß die »Augen« auf einem Pfauenschwanz auf die Pfauenhenne deshalb betörend wirken, weil sie wie eine Riesenversion wirklicher Augen erscheinen. Augen sind für viele Tiere visuelle Anziehungspunkte – mit möglicherweise sogar hypnotischem Charakter –, und das plötzliche Erscheinen zahlreicher starrender Riesenaugen führt bei der Pfauenhenne unter Umständen zu einem leicht hypnotischen Zustand, der den Annäherungsversuch des Pfaus erleichtert. 77 Das steht im Einklang mit der Beobachtung, »überhöhte Stimuli« seien häufig effizienter als normale. Manche Vögel ziehen beispielsweise lächerlich große Eier im eigenen Nest Eiern von Normalgröße vor: Eine Gans versucht eher auf einem Ei von der Größe eines Fußballs zu brüten als auf einem Ei von normaler Größe. Es hat den Anschein, als gäbe es für ihr Gehirn ein Programm, das ihr sagt: »Du magst Eier«, und so mag sie ein Ei um so mehr, je größer es ist. Je größer der Augenfleck, um so attraktiver oder faszinierender ist er vielleicht für die Pfauenhenne; das Männchen hat sich diese Tatsache einfach zunutze gemacht und trägt nunmehr viele riesengroße Augen, während die weibliche Präferenz unverändert geblieben ist. 78
Werbung mit Webfehlern
Andrew Pomiankowski akzeptiert vieles von dem, was Ryan und Kirkpatrick sagen, doch wenn es um die Weibchenwahl geht, versagt er ihnen seine Zustimmung. Seiner Ansicht nach ist das, was die beiden postulieren, lediglich eine Einschränkung, die das männliche Merkmal in die vom sensorischen Apparat des Weibchens bevorzugte Richtung drängt. Das heißt aber nicht, daß die Überspitzung (eines Merkmals) ohne jedwede Änderung der weiblichen Präferenz vonstatten geht. Es ist nahezu unmöglich, sich vorzustellen, wie die Weibchen dem Fisher-Effekt entgehen können, wenn das männliche Ornament Generation für Generation immer überladener wird: Das anspruchsvollste Weibchen wird das Männchen mit dem prächtigsten Ornament wählen, somit die attraktivsten Söhne produzieren, womit sie die meisten Enkelinnen hat, so daß die Weibchen nach und nach immer anspruchsvoller werden und immer schwerer zu verführen und zu hypnotisieren sind. »Die kritische Frage«, schrieb Pomiankowski, »lautet nicht: Weshalb hat sich sensorische Ausbeutung entwickelt, sondern: weshalb lassen Weibchen es zu, daß sie ausgebeutet werden.« Zudem verrät es eine sehr engstirnige Vorstellung von Selektion, wenn man annimmt, daß sie zwar das Gehör eines Froschs für die Wahrnehmung von Räubern schärfen kann, es aber nicht gleichzeitig in anderer Form zur Auswahl eines Männchens anpassen kann. 79
Es wird damit möglich, mit Ryan und Kirkpatrick zu argumentieren, daß die Extravaganzen männlicher Werbung den angeborenen weiblichen Geschmack treffen, ohne dabei gleichzeitig die Vorstellung abzulehnen, daß diese Ansprüche für die Weibchen deshalb von Nutzen sind, weil sie die besten Gene für die nächste Generation auswählen. Die Federn eines Pfauenschwanzes sind gleichzeitig Zeugnis einer durch natürliche Selektion entstandenen weiblichen Vorliebe für augenähnliche Objekte, ein Auswuchs des Modediktats unter den Pfauenhennen und ein Handicap, das den Zustand seines Trägers offenlegt. Solch toleranter Pluralismus ist nicht jedermanns Geschmack, doch Pomiankowski beharrt darauf, daß er keineswegs einem fehlgeleiteten Bestreben entspringt, jedermann gefallen zu wollen. In einem indischen Restaurant legte er mir eines schönen Tages auf einer Papierserviette eine Möglichkeit dar, wie sich alle derzeit kursierenden Theorien zur sexuellen Selektion in einem gemeinsamen Modell berücksichtigen lassen.
Jedes männliche Merkmal beginnt als Zufallsmutation. Falls es damit nun auch noch auf irgendeine sensible sensorische Ader beim Weibchen trifft, fängt es an, sich auszubreiten. Während es das tut, beginnt der Fisher-Effekt zu wirken, und sowohl das Merkmal als auch die Vorliebe dafür »arten« allmählich »aus«. Schließlich wird ein Punkt erreicht, an dem sich das Merkmal auf alle Männchen ausgebreitet hat und es für die Weibchen keinen Anlaß mehr gibt, der Mode weiter zu folgen. Somit verblaßt das Merkmal allmählich, denn für die Weibchen wird es nun kostspielig, zu wählen: Im Mindestfall bedeutet es für die Weibchen Zeit- und Energieverschwendung,
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