Eros und Evolution
vergleichen und unter ihnen zu wählen, damit sichergestellt ist, daß sie wirklich das beste bekommt, wird der kleine Vorteil, den sie dadurch hat, von dem Risiko aufgewogen, das sie gleichzeitig trägt: Sie läßt sich besser von einem einigermaßen passablen Männchen erobern, als nach der Taube auf dem Dach zu streben. Und wenn sie nicht in der Lage ist, wirkliche Qualität von vorgetäuschter ohne weiteres zu unterschieden, dann können die anderen Weibchen das auch nicht, und somit werden ihre Söhne nicht unter der Unehrlichkeit ihres Vaters zu leiden haben. 63 Ein verblüffendes Beispiel für diese Art von Logik stammt von Bobbi Low und ihren Kollegen an der University of Michigan und betrifft den Menschen. Low versuchte zu erklären, warum sich bei jungen Frauen mehr Fettgewebe auf Brust und Gesäß befindet als an anderen Teilen ihres Körpers. Die Frage ist deshalb wert, gestellt zu werden, weil junge Frauen sich in dieser Hinsicht von allen anderen Menschen unterscheiden. Ältere Frauen, junge Mädchen und Männer jeden Alters verteilen ihr Fettgewebe sehr viel gleichmäßiger auf Rumpf und Gliedmaßen.
Wenn aber eine Frau um die zwanzig an Gewicht zunimmt, dann meist in Gestalt vermehrter Fettablagerung auf Brust und Gesäß, die Taille bleibt dabei bemerkenswert schlank.
Bis hierhin handelt es sich um unbestrittene Tatsachen. Was nun folgt, ist pure Mutmaßung, und genau das hat Low einiges an – zuweilen bösartiger (meistenteils aber dummer) Kritik eingetragen, als sie ihre Überlegungen im Jahre 1987 veröffentlichte.
Die Jahre Anfang Zwanzig sind für eine Frau das optimale Alter für eine Schwangerschaft; man könnte also annehmen, daß die ungewöhnliche Fettverteilung entweder mit der Partnersuche oder mit einer möglichen Schwangerschaft in Zusammenhang steht. Die Standarderklärung hinsichtlich einer Schwangerschaft lautet, Fett in der Taillengegend sei von Nachteil, weil es dort dem Fetus im Wege sei.
Lows Erklärung betrifft die Partnersuche und bedient sich eines Rote-Königin-Rennens zwischen Männern und Frauen. Ein Mann, der sich nach einer Frau umsieht, stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von Männern ab, die zwei Dinge (von vielen anderen) attraktiv fanden: große Brüste, um Kinder ernähren zu können, und ein breites Becken, um Kinder leicht gebären zu können. Kindstod durch Unterernährung infolge eines Mangels an Muttermilch dürfte vor unseren wohlhabenden Zeiten recht häufig gewesen sein – und ist es in manchen Teilen der Welt noch heute. Auch der Tod von Mutter und Kind infolge eines zu engen Geburtsweges war mit Sicherheit keine Seltenheit. Komplikationen bei der Geburt gibt es beim Menschen besonders häufig. Der Grund dafür leuchtet ein: Innerhalb der letzten fünf Millionen Jahre hat die Schädelgröße der Feten extrem zugenommen, der Geburtskanal blieb jedoch unverändert. Dies hatte (bevor man bei der Mutter von Julius Cäsar den ersten Kaiserschnitt durchführte) zur Folge, daß alle schmalhüftigen Frauen, die Mutter wurden, der natürlichen Selektion zum Opfer fielen.
Klar, daß Männer unter diesen Umständen Frauen mit relativ breiten Hüften und großer Brust bevorzugten. Es erklärt aber noch nicht, weshalb sich Fettgewebe auf Brust und Hüften ansammelt; Fett hat keinen Einfluß auf die Milchproduktion einer Brust, und die Entfernung der Beckenknochen voneinander wird durch Fett ebenfalls nicht beeinflußt.
Low meint, Frauen vermitteln mit diesen Rundungen den Männern möglicherweise den (falschen) Eindruck, milchgefüllte Brüste und ein weites Becken zu haben. Die Männer sind darauf hereingefallen, denn die Kosten dafür, eine mit Fettgewebe gefüllte Brust von einer milchgefüllten zu unterscheiden oder Fettablagerungen auf den Hüften von einem breiten Becken zu unterscheiden, waren einfach zu groß, und die Gelegenheit hierzu hat gefehlt. Der männliche »Gegenangriff« im Sinne der Evolution bestand darin, eine schmale Taille »zu fordern«, sozusagen als Beweis für die Tatsache, daß bei einer Frau wenig Unterhautfettgewebe vorhanden ist, die Frauen allerdings haben dies problemlos unterlaufen, indem sie die Fähigkeit entwickelten, Fettgewebe abzulagern und die Taille dennoch schmal zu halten. Als »die Maße« einer Frau gilt schließlich noch immer die Kombination von Brust-, Taillen- und Hüftumfang. Eine Frau mit den Maßen 90-90-90 ist übergewichtig, schwanger oder im mittleren Alter. Eine Frau mit den Maßen 90-55-90 kommt als
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