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hätte tun können. Zula sah in Jones’ Kopf deutlich einen Kampf zwischen dem westlichen, studierten Ingenieur und dem islamischen Fundamentalisten; der Erstere wollte sorgfältig ausgearbeitete Pläne ausführen, während der Letztere einfach spontan agieren und auf das Schicksal vertrauen wollte. Die meisten seiner Kameraden waren Fatalisten und betrachteten argwöhnisch die Entscheidungen, die er getroffen hatte.
Zula fing an, sich zu überlegen, was sie brauchen würde, um zu dieser Jahreszeit im Norden Kanadas zu überleben. Der Winter war zwar vorbei, aber es würde immer noch kalt sein. Sie wusste nicht, ob die Dschihadisten mit ihrer Ausrüstung auch Winterkleidung in den Frachtraum gepackt hatten. Das war angesichts der Tatsache, dass sie eine Operation in Xiamen, einer Ballungszone auf demselben Breitengrad wie Hawaii, geplant hatten, eher unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite hatten sie sich auf einem Fischerboot herumgetrieben, und solche Schiffe verfügten normalerweise über Schlechtwetterkleidung.
Sie könnten also etwas haben, aber Zula hatte nichts außer den Bettlaken in dieser Kabine. Und die würden die anderen sowieso konfiszieren, wenn sie sie zu brauchen glaubten. Jedenfalls hatte sie nichts für die Füße, außer dem Paar Ersatz-Crocs, die ihr in Wladiwostok ausgehändigt worden waren, und wenn sie in diesen Dingern hinausginge, wäre sie innerhalb kurzer Zeit verkrüppelt und durch Frostbeulen entstellt. Das Beste, was sie tun konnte, war, die Laken zerreißen und sich um die Füße wickeln und damit dann in die Crocs schlüpfen. Das war besser als nichts. Mit einem Messer wäre es allerdings viel einfacher gewesen.
Die Schusswaffen- und Messerbesessenheit ihrer männlichen Verwandten hatte sie immer ein bisschen lächerlich gefunden. Sie würde aber so weit gehen, zuzugeben, dass ein Messer zu besitzen in vielerlei Hinsicht eine gute Sache war. Deshalb hatte sie sich schon nach Dingen in ihrer Umgebung umgeschaut, die sie zu Messern umfunktionieren könnte. Plan A hatte vorgesehen, die Glasscheibe des Fernsehbildschirms zu zertrümmern, eine Scherbe davon zu nehmen und einen Griff zu basteln, indem sie ein Ende davon in einen abgerissenen Streifen Bettlaken wickelte. Sie schätzte, dass das gehen würde, aber es wäre laut und schwer zu verbergen und könnte Messer von höchst unterschiedlicher Qualität hervorbringen.
Plan B hatte darin bestanden, einfach ein richtiges Messer aus der Küche zu klauen: einer Nische zwischen Toilette und Cockpit, an der sie immer vorbeikam, wenn sie pinkeln ging. Auf diesen Plan gekommen war sie nach ihrem ersten Pinkelausflug – bei dem sie oben durch die Cockpitfenster hinausgeschaut und die 747 direkt über ihnen gesehen hatte. Ausgearbeitet hatte sie ihn während ihres zweiten Pinkelgangs und ausgeführt beim dritten, indem sie ein großes, schweres Steakmesser aus einer Schublade stibitzt hatte. Sie hatte es sich in die Vordertasche ihrer Jeans geschoben und dabei die Tasche nach innen durchbohrt, sodass die Klinge sich zwischen ihrem Schenkel und dem Hosenbein befand und der Holzgriff in der Tasche verborgen war. Mit einem Kochmesser wäre das verrückt gewesen, aber das Steakmesser war nicht scharf genug, um sie zu verletzen, solange es flach an ihrer Haut lag.
Was sie nur an etwas erinnerte, was sie mal bei den Pfadfinderinnen gehört hatte, nämlich dass Jeans die allerschlechteste Kleidung für kaltes und nasses Wetter seien. Das schwere Baumwollgewebe würde Feuchtigkeit aufsaugen und dann seine Isolierfähigkeit verlieren.
Wie auch immer, da sie jetzt durch Khalids freischwebende Wut in der Kabine gefangen war, nicht schlafen konnte und absolut nichts zu tun hatte, beschloss sie, ein bisschen Zeit mit einem Film totzuschlagen. Es war ein lächerlicher Impuls, aber vielleicht war es der letzte Film, den sie je sehen würde, und ihr wollte einfach nichts anderes einfallen, was sie hätte tun können. Eine der DVD s auf dem Regal war Tatsächlich … Liebe , eine Liebeskomödie, vielleicht zehn Jahre alt, die sie schon ungefähr zwanzigmal gesehen hatte; sie und ihre Mitbewohnerinnen auf dem College hatten sie fast wie ein Ritual immer dann geschaut, wenn sie sich in einer gewissen Stimmung befunden hatten. Also legte sie sie ein.
Die Kabine war so eingerichtet, dass der Fernsehbildschirm über dem Fußende des Bettes am hinteren Schott hing, also nach vorne wies. Zula hatte am Kopfende ein paar Kissen gestapelt und sich mit dem Gesicht
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