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geschätzt vielleicht achthundert Kilometer breite Lücke zwischen der kanadischen und der amerikanischen Zone zu geben. Was unter dem Gesichtspunkt der nationalen Verteidigung kein großes Problem war, da es den russischen Bombern lediglich Zugang zu dem oberen Teil von British Columbia, dem Yukon und den Nordwest-Territorien gab. Dort konnten sie mit ihren Atombomben je nach Jahreszeit Schnee zum Schmelzen bringen oder Moskitos töten, jedoch nicht zu den Städten Kanadas oder der Vereinigten Staaten vordringen, ohne die südlicher gelegenen IZ s durchqueren zu müssen. Und um diese Lücke erst einmal zu erreichen, mussten sie einen heiklen südlichen Kurs fliegen, der eine Menge Sprit verheizen würde.
Das ganze nordwestliche Drittel von British Columbia schien oberhalb der kanadischen und unterhalb der amerikanischen Identifikationszone zu liegen, und dorthin schien Abdallah Jones seine ganze Aufmerksamkeit zu richten. Auf den ersten Blick schien es unglaublich gebirgig und trostlos zu sein, aber da dies eine Luftfahrtkarte war, waren nur sehr wenige Besonderheiten beschriftet, Straßen tauchten gar nicht auf und Städte waren nicht gekennzeichnet, es sei denn, sie verfügten über Start- und Landebahnen von nennenswerter Größe. Vielleicht war es ja gar nicht so schlimm, wie es aussah.
Khalids Aufmerksamkeitsspanne schien ungefähr dreißig Sekunden nicht zu übersteigen, und so war es sein Schicksal, die Augen zu verdrehen und verzweifelt zu seufzen, während Jones sich Stunde um Stunde seinen kartografischen Forschungen widmete. Zula hatte eine Menge Männer wie Khalid erlebt, und obwohl sie sehr wenig Zeit miteinander verbracht hatten, hatte sie das Gefühl, den Mann und seine Gewohnheiten zu kennen. Das Einzige, was die Aufmerksamkeit solcher Leute über lange Zeit fesseln konnte, war die direkte Interaktion mit einem anderen Menschen. Dabei spielte die Art der Interaktion eigentlich keine Rolle. Da drei der vier Soldaten schliefen, der vierte immer noch eifrig mit seinem Flugsimulator beschäftigt und Jones in die Karte vertieft war, während die beiden Piloten sich ganz und gar auf das Projekt konzentrierten, in enger Formation unter dem Bauch der 747 zu fliegen, gab es für Khalid niemand anderen zum Interagieren als Zula. Und Zula verbrachte die meiste Zeit hinter verschlossener Tür in ihrer Kabine. Jedes Mal, wenn sie die Tür aufmachte, stellte sie fest, dass Khalids feurige Augen sie unverhohlen anstarrten, auf eine Weise, die irgendeine Reaktion zu verlangen schien. Diese Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen. Wenn Zula über Jones’ Schulter hinweg einen flüchtigen Blick auf die Karte warf, blieb das Khalid nicht verborgen.
Zulas offen gezeigte Neugier hatte Khalid beim ersten Mal erstaunt und beim zweiten Mal beleidigt. Beim dritten Mal war er in eine, wie sie fand, gut einstudierte Wut geraten, aufgesprungen und so in ihre Distanzzone eingedrungen, dass sie fast gezwungen war, vor ihm zurückzuweichen. Die Grammatik seiner Sätze konnte sie nicht gliedern, aber sehr wohl ein paar nicht allzu schmeichelhafte Substantive erkennen; wäre Khalid ein Gangsta Rapper gewesen, hätte er sie Schlampe und Nutte genannt. Das ging weiter, bis es Jones’ Gedankengang so störte, dass er Khalid sagte, er solle jetzt mal wieder runterkommen und die Klappe halten. Dabei sprach Jones mit einer müden, ja mutlosen Stimme, was der Gesamtstimmung der Dschihadisten zu entsprechen schien.
Wieder in ihrer Kabine, dachte Zula darüber nach. Vor ein paar Stunden, noch in Xiamen, war Jones davon überzeugt gewesen, dass sie in der Lage wären, den Jet an irgendeinen befreundeten Ort in Pakistan zu fliegen, eine Fracht des Bösen (vielleicht eine schmutzige Bombe?) abzuholen, den Jet dann umzudrehen und geradewegs zu einer Art Armageddon in Las Vegas zu fliegen. Wegen der Komplexität der internationalen Vorschriften rund um Flugpläne und eingeschränkte Lufträume und wegen der Art, wie Pawel und Sergej in einem kritischen Moment Rückgrat gezeigt hatten, war er gezwungen worden, sich auf einen hastig zusammengestückelten Plan einzulassen, der sie zwar sicher aus China hinausgebracht hatte, aber anscheinend dazu führen würde, dass ihnen viele Hundert Kilometer vor der amerikanischen Grenze der Treibstoff ausging. Sie würden mitten im Niemandsland aufsetzen und dann improvisieren müssen. Er musste das Gefühl haben, eine unglaubliche Chance bekommen und vertan zu haben; es gab aber wenig anderes, was er
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