Error
dass etwas nicht stimmte.
Sie war wie vom Erdboden verschluckt.
Das setzte ihr so zu, dass ihre Nase ein wenig zu laufen begann, aber sie weinte nicht. In Peters Wohnung, als die Lage sich verschlechterte, da hatte sie geweint. Dann hatte sie törichterweise geglaubt, das Problem sei gelöst. Als könnte man wirklich so billig aus einer dermaßen üblen Situation herauskommen. Jetzt war sie wieder genau da, wo sie gewesen war, als sie bei Peter zu weinen aufgehört und darüber nachzudenken begonnen hatte, was sie tun sollte.
Sie machte sich frisch und brachte ihr Augen-Make-up einigermaßen in Ordnung. Niemand sollte merken, dass sie Energie aufs Make-up verwendet hatte, aber sie wollte auch nicht sichtlich verlottern, sondern, wenn auch unterschwellig, zeigen, dass sie immer noch einen gewissen Stolz hatte, dass sie nicht in sich zusammenfiel. Sie kämmte sich die Haare durch und band sie hinten zu einem Pferdeschwanz zusammen. Zog sich die saubersten Sachen an, die sie in der Tasche finden konnte, und ging zu ihrem Bett zurück, das sie wieder zum Sitz hochklappte. Setzte sich hin und betrachtete weitere Berge.
»Weißt du, wie viel Uhr es ist?«
Peter schüttelte den Kopf. »Sie haben mir das Handy weggenommen.«
Sie saß eine Weile da.
»Wir fliegen nach Xiamen«, verkündete sie.
»Das ist auf der anderen Seite des Pazifiks!«, zischte er.
»Und?«
»Und wir fliegen die ganze Zeit über Berge!«
»Die Luftlinie von Seattle aus führt nicht über den Pazifik. Sie geht nach Norden. Vancouver Island. Südostalaska. Die Aleuten. Kamtschatka.« Sie deutete mit dem Kopf durchs Fenster. »Alles Berge wie die da. Jung. Schroff. Subduktionszone.«
Sokolow äußerte, ohne aufzublicken, ein Wort: »Wladiwostok.«
»Siehst du?«
»Was ist das?«
»Eine Stadt. Im äußersten Osten Sibiriens.«
»Sibirien. Fantastisch.«
»Wir fliegen nach Xiamen«, beharrte sie. »Das ist das Einzige, was Sinn ergibt.«
»Vielleicht bringen Sie uns auch einfach nach Russland und …«
»Was?«, fragte Zula. »Bringen uns um? Das hätten sie in Seattle tun können.«
»Keine Ahnung«, sagte Peter, »verkaufen uns in die weiße Sklaverei oder so was.«
»Ich bin nicht weiß.«
»Du weißt, was ich meine.«
»Du hast gesehen, wie Iwanow drauf war. Es gibt nur eins, was ihn interessiert. Den Troll finden. Und« – sie zögerte auf der Schwelle zu diesem Wort, aber zimperlich zu sein, hatte keinen Sinn – »ihn töten.«
»Das klingt einleuchtend«, sagte Peter, der sich endlich hineindenken konnte. »Zwischenlandung in Wladiwostok. Auftanken oder was auch immer. Dann weiter nach Xiamen.«
Für Zula war der Gesprächsfaden abgerissen, als sie »töten« gesagt hatte. Sie war jetzt in ein Mordkomplott verwickelt. Allmählich kam ihr wieder die Erinnerung an die Ereignisse in Peters Wohnung. Als sie Corvallis angerufen hatte, war sie sicher gewesen, das einzig Mögliche zu tun, aber jetzt, wo sie es in Gedanken noch einmal durchspielte, stellte sie ihre Entscheidung in Frage.
Die hintere Tür ging auf, und Iwanow platzte, in einen Bademantel gehüllt, heraus. Ohne irgendjemandem Beachtung zu schenken, ging er zur Toilette.
Peter zog die Füße auf den Sitz, sodass er die Knie vor dem Gesicht hatte, schlang die Arme um sie und legte den Kopf darauf.
Anfangs hatte Zula sich an seiner Haltung gestört. Allerdings hatte er einen Vorsprung; er war früher wach geworden, hatte schon länger über ihre Situation nachgedacht. Als die Minuten verstrichen und der neue Eindruck, sich in einem Privatjet zu befinden, langsam verblasste, dämmerte Zula dasselbe, was Peter bereits begriffen hatte, nämlich, dass sie hier nicht lebend rauskommen sollten.
Iwanow trat frischgemacht aus der Toilette und kam den Gang herunter, wobei er mit dem Blick zwar Zulas Gesicht streifte, jedoch keinen Kontakt aufnahm. In Peters Wohnung hatte seine ganze Höflichkeit einem Zweck gedient, der jetzt hinfällig war.
Peter hatte den Kopf zur Seite gedreht und beobachtete Zula, die Iwanow beobachtete. Nachdem der wieder in seinem Abteil verschwunden war, sagte er: »Es tut mir leid.«
»Das hätte niemand vorhersehen können.«
»Trotzdem.«
»Nein. Das Ding mit REAMDE war völliger Zufall. Pech, sonst nichts.«
Kurz darauf sagte sie: »Vielleicht ist es gar nicht das, was du glaubst.«
»Hä?«
»Du glaubst, wenn sie erst mal haben, was sie wollen …« Worauf sie sich mit dem Daumen in einer kaum merklichen Bewegung quer über die Kehle
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