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Error

Error

Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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dass die APPIS -Mitarbeiter nur noch mit Mühe rechtzeitig in ihre Wachsamkeitshörner stoßen konnten. Die unterbeschäftigten, mit dem langsamen Tempo, in dem die hauseigenen Programmierer von Corporation 9592 ihren Forderungen nachkamen, nicht zufriedenen Nerds der Welt begannen ihre eigenen APPIS -Apps zu entwickeln. Die populärste davon war ein System, das minderwertige, über Telefon bereitgestellte Videoaufnahmen aus einem Firmenkonferenzraum übernahm und die Szene umwandelte in eine Ansammlung behaarter Kriegsherren in Rüstung, die in einer mittelalterlichen Festung um einen rustikalen Holztisch herum saßen. Immer wenn in der Besprechung jemand eine Flasche mit einem Vitamingetränk oder einen dünnen, fettarmen Milchkaffee an die Lippen hob, nahm der entsprechende Avatar einen tiefen Schluck Ale aus einem Fünfliterkrug und rülpste herzhaft, und wenn jemand an einem Mehrkornriegel knabberte, biss der Avatar ein großes dampfendes Stück Fleisch von einer gewaltigen Lammkeule ab. PowerPoint-Präsentationen wurden in diesem Szenario zu dunstigen Erscheinungen, die in schauerlichem Dampf über dem Kessel eines Hexenmeisters hingen. In der ersten Version der App sagten die Avatare in ihren behornten Helmen alle genau dasselbe wie die entsprechenden Menschen in dem Konferenzraum der realen Welt, was zunächst für ein witziges Nebeneinander sorgte, sich nach einer Weile jedoch abnutzte. Dann fingen die Leute an, Addons zu entwickeln, sodass, wenn zum Beispiel der kluge Vorschlag eines Mitarbeiters von einem griesgrämigen Chef verrissen wurde, dieses Ereignis als Kampfszene dargestellt werden konnte, in der der abgeschlagene Kopf des glücklosen Untergebenen auf einer Speerspitze endete. Große Teile der Weltwirtschaft wurden jetzt, wie es schien, auf ihren T’Rain-Entsprechungen abgebildet, sodass sie in der Szenerie eines Mittelalterlichen Bewaffneten Kampfes abgewickelt werden konnten. Nachweisbare Steigerungen der Produktivität wurden täglich (von einem mittelalterlichen Herold mit einer echten Trompete, versteht sich) im entsprechenden Abschnitt der Website von Corporation 9592 hinausposaunt.
    Richard beharrte nur halb im Scherz auf seinem Wunsch, zehn Prozent der Weltwirtschaft auf T’Rain übertragen zu sehen. Oder wenigstens zehn Prozent des Informations sektors. Da dieser jedoch inzwischen die Finger in so ziemlich allem drin hatte, bedeutete das kaum eine Einschränkung. Fabrikarbeiter, die zusahen, wie irgendwelche Geräte vom Fließband kamen, und sie dabei auf Fehler untersuchten, sollten in der Lage sein, ihre Arbeit direkt in etwas zu übersetzen, was weitaus prickelnder war, zum Beispiel auf einem geflügelten Ross ein Flusstal aufwärts zu fliegen, sich im klaren Wasser die über das Flussbett verstreuten Steine anzusehen und nach dem einen Ausschau zu halten, der Spuren irgendeines magischen Erzes enthielt.
    Was, wie C-plus geduldig erklärte, ebenfalls eine lächerliche Idee war, da jeder Algorithmus für industrielle Bildverarbeitung, der es schaffte, ein defektes Gerät in einen erzhaltigen Felsbrocken in einem virtuellen Flusstal zu verwandeln, auch intelligent genug war, einfach an einem Fließband einen Signalton auszulösen und die fehlerhafte Einheit ohne Einschaltung von Menschen oder virtuellen Fantasiewelten zu markieren. Worauf Richard mit derselben, wenn nicht noch größerer Geduld antwortete, dass ihm das immer noch egal sei, da es hier letztlich um Vermarktung gehe, und die verrückten Apps, die beliebige Leute im Internet schrieben, viel besser seien, als alles, was er, Richard, sich je ausdenken könne.
    Jedenfalls hatte es auf unbeständige und chaotische Weise funktioniert, und T’Rain war somit viel intensiver in den Schaltplan der realen Welt eingearbeitet worden, als man es von einer quasimittelalterlichen Fantasiewelt mit Fug und Recht hätte annehmen können. Und am Ende hatten sie sogar eine App zur Termin- und Kontaktverwaltung nebst verschiedenen anderen Addons gebraucht, von denen sie beim Aufbau dieser Welt nicht einmal geträumt hatten.
    Richard selbst gehörte nicht zu den Nutzern der Kalenderapp. Questen ging er meistens alleine oder in Gesellschaft von ein oder zwei alten Freunden, dafür brauchte er sie also nicht; und schon der Gedanke daran, seine Zeit so sorgfältig planen zu müssen, machte ihn mutlos. Für solche Sachen griff er zum Handy, und die Installation der Kalenderapp auf dem Gerät war schwerfällig und eigentlich nicht der Mühe wert.

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