Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
der Liebe. Ich war deswegen felsenfest davon überzeugt, dass man sich immer und überall aus eigener Kraft selbst aus dem allergrößten Schlamassel befreien konnte. Man musste es nur wollen.
Ach ja, und wen ich noch liebte: meinen Felix natürlich. Wir waren seit sieben Jahren ein Paar, und auch ich hatte ihm Glück gebracht. Sein Restaurant, die Alpenküche in den Berliner Gips-Höfen, lief inzwischen so hervorragend auch einmal ohne ihn, dass er momentan viel Zeit in München verbrachte. Um seine kranke Großmutter zu besuchen und um bei Holger Baumbach zu hospitieren. Holger war der beste Biokoch Deutschlands und so etwas wie Felix’ Mentor, und Felix wollte in den nächsten Jahren dahin kommen, wo Holger schon stand: Holgers Edellokal Himmelreich war nämlich als erstes deutsches Restaurant mit vier Sonnen ausgezeichnet worden, dem Biopendant zum Michelinstern.
Viel hatten wir im Moment also nicht voneinander, Felix und ich. Aber unsere unaufgeregte Beziehung stützte mich wie ein unsichtbares Korsett. Felix war mein Fels in der Brandung, auch wenn er nicht da war. Wenn ich am Telefon sein ruhiges »Reg dich nicht auf. Das schaffst du!« hörte, war immer alles wieder gut. Und zwei Wochen im Monat allein zu sein, war mir manchmal gar nicht so unrecht. Denn eine Beziehung im Allgemeinen verschlang einfach sehr viel Zeit, und ein Mann wie Felix hielt auch ohne großes Heckmeck zu mir und brauchte nicht viel Pflege.
Dafür seine Umgebung umso mehr. »Ich muss im Restaurant schon ordentlich genug sein, da mag ich wenigstens zu Hause machen, was ich will«, sagte Felix stoisch zu meinen regelmäßigen Schöner-Wohnen-Attacken. Der Mann in meinem Leben war nämlich im Gegensatz zu mir bewegungssüchtig. Und Tennis, Laufen, Rennradfahren und Surfen involvierte Schweiß und durchgeweichte Klamotten. Deshalb hingen in unserer Wohnung (also eigentlich in meiner, in die ich Felix gnädigerweise einzuziehen erlaubt hatte, was ihn seitdem zu der Annahme bewog, er würde jetzt auch die Chaosgestaltung mitbestimmen können) an Türklinken, Fensterkreuzen, Sesseln und Küchenstühlen Sportsocken, Rennradhemden oder Neoprenanzüge, die vor sich hin trockneten und nach Puma rochen. Ich versuchte, trotzdem Ruhe zu bewahren. Unsere Beziehung war eigentlich viel zu perfekt, als dass ich sie mit derartigen Streitigkeiten belasten wollte. Wir sind schließlich anders als alle anderen Paare, dachte ich mir immer, nicht so verdammt kleinlich und territorial, und spielte lieber mit dem Gedanken, mir eine Putzfrau zuzulegen. Zum Selbstaufräumen hatte Felix keine Lust und natürlich auch keine Zeit, seine Kapazitäten waren völlig ausgeschöpft. Sagte Felix. Ich gab insgeheim seiner Großmutter die Schuld an seinem Hang zur häuslichen Verwahrlosung. Bei ihr hatte er die ersten Jahre seines Lebens verbracht, und ihr Putzwahn hatte bewirkt, dass Klein-Felix sich in die entgegengesetzte Richtung entwickelte. Hätte ich auch, wäre ich als Kind mit der Sagrotanflasche verfolgt worden. Aber bei aller verständnisvollen Ursachenforschung: Wer durfte es ausbaden? Ich. Aber so ist das eben. Heiratet man den Mann, der einem in der Anbetungsphase jedes Ikearegal zusammengebaut und den Wagenheber aus der Hand gerissen hat, dann ist der nicht einmal mehr in der Lage, eine Glühbirne auszuwechseln, sobald er einen in seinen Bau geschleppt hat. Oder besser gesagt, die Wohnung seiner Freundin zu seiner Räuberhöhle gemacht hat.
»Ich muss mich noch mal kurz aufs Ohr legen, bevor ich in die Alpenküche fahre«, pflegte Felix nach dem Sport zu sagen und den Habitat-Katalog zu ignorieren, mit dem ich wedelte, um mit ihm über das Stauraumpotenzial unserer Zweiraumwohnung zu sprechen. Stattdessen verschwand er im Schlafzimmer, um sich aufs frisch gemachte Bett zu werfen und sich auszuruhen. Ich kannte das und hatte längst aufgegeben, hübsch gemusterte Tagesdecken über unseren Futon zu werfen und glattzustreichen. Und hatte mir zwischen dem Arrangieren der Blumen für den Laden (erledigte ich in zwei Minuten) und dem Tüfteln an einer nicht vom Babykopf rutschenden Kapuze (kostete mich eine halbe Nacht) immer wieder im Stillen gedacht: Männer sind eben nicht so leistungsfähig wie Frauen.
Denn Felix’ Alpenküche, die AKÜ , konnte nicht so viel fordernder sein als mein Laden. Und hatte er nicht im Gegensatz zu mir eine Menge devoter Angestellter? Karl, den Chef de Cuisine, die Geschäftsführerin Mizzi (eine zierliche, meiner Meinung nach
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