Erstens kommt es anders ... (German Edition)
brauchte er eine Weile, um wieder auf normal umzuschalten.
»Wie bitte?«
»Grundlage jedes erfolgreichen Arbeitens ist der zweckgemäße Umgang mit der vorhandenen Kommunikationstechnik«, wurde sie prompt belehrt. »Ganz besonders, da meine Sprechstunden zu annähernd siebzig Prozent telefonisch abgehalten werden. Sie sind mit der Funktionsweise des Gerätes nicht vertraut, weshalb unterließen Sie es, mich darüber in Kenntnis zu setzen?«
Ratlos betrachtete sie ihn, blickte mitten hinein in diese bemerkenswerten Augen, die sich ihr im Moment auch bemerkenswert nah befanden. Er machte ja keine Anstalten, sich mal von ihrem Tisch zu erheben. Und offenbar wartete er tatsächlich auf eine Antwort. Stevie räusperte sich. »Bevor ich dazu Gelegenheit bekam, war es zu spät.«
»Zu spät?«
»Es summte.«
»Summte?«
»Ja, es summte!«, seufzte Stevie. »Das tut es üblicherweise, wenn ein Anruf eingeht. Sie befanden sich in Ihrem Büro, ich konnte nicht fragen.«
Das überdachte er mit gespitzten Lippen, selbstverständlich, ohne sie aus den Augen zu lassen, was Stevie langsam, aber sicher tatsächlich zusetzte. Und dann nickte er bedächtig. »Das klingt einleuchtend.«
Erleichtert atmete sie auf. »Ja ...«
Rogers lächelte, wobei es sich um dieses unnachahmliche Renata-das-Baby-ist-am-Apparat-und-wird-das-Cremefarbene-tragen -Lächeln handelte. Nur dass sein Blick unvermindert intensiv auf ihr lag. Warum veranstaltete er dieses Theater?
»Nun, in diesem Fall sollte ich Sie wohl schleunigst in die Geheimnisse des edlen Gerätes einweihen, oder? Damit solche ‚Unfälle’ in Zukunft unterbleiben.«
Stevie zog es vor, nicht auf seinen gönnerhaften Ton einzugehen, aber eines stand doch wohl fest: Hätte er sich die Mühe gemacht, sie an ihrem ersten Arbeitstag anständig einzuweisen, wäre es überhaupt nicht zu diesem Unfall gekommen. Wie er das Desaster von eben so freundlich zu bezeichnen geruhte. Demnach blieb sie der moralische Sieger und hatte sich nicht wirklich etwas zuschulden kommen lassen. Was sich zumindest für ihren Seelenfrieden verdammt wichtig ausmachte. Denn Stevie hasste es, zu versagen.
Und zwar in jeder Lebenslage.
Was? Sie hatte gemeint, zuvor wäre es ein wenig peinlich gewesen?
Ernsthaft? Wie dämlich!
Das erkannte Stevie nach weiteren zwei Minuten. Inzwischen befand sich Rogers inmitten eines langen, begeisterten und ausschweifenden Vortrages über das blöde, total veraltete Telefon. Einschließlich praktischer Demonstration, denn währenddessen summte es mehrfach. Offenbar besaß dieser Mr. Rogers absolut keine Berührungsängste. Und er schien lieber auf Tischen zu sitzen, anstatt wie jeder normale Mensch auf einem Stuhl. Der wäre nämlich durchaus vorhanden gewesen. Vor Stevies Schreibtisch.
Rogers strafte das Sitzmöbel mit Nichtachtung, auch wenn er, um den Apparat zu erreichen, ständig um sie herumgreifen musste oder über Stevie hinweg.
Es brauchte keine drei Minuten, bis die ihren Kopf so tief zwischen den Schultern hielt, dass jeder Außenstehende eindeutig auf einen kurz bevorstehenden oder bereits stattfindenden Bombenangriff getippt hätte.
Mr. Rogers blieb nonchalant, erklärte, erzählte und all das in gleichbleibend sanfter und dennoch bestimmter Tonlage. Während Stevie trotz ihrer gigantischen Verlegenheit versuchte, sich auch noch die Funktion jeder einzelnen Taste einzuprägen. Selbstverständlich blieb sie chancenlos. Kein Mensch hätte sich in dieser Situation irgendetwas merken können. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war sie so außer sich über das dämliche Benehmen ihres neuen Chefs, dass ihr erst nach einigen Minuten der Sinn dieses lächerlichen Manövers aufging.
Der Typ zog sie auf! Und wie!
Kaum hatte sie das begriffen, kehrte Stevies geliebtes Selbstbewusstsein zurück, und sie sah auf. Direkt hinein in sein – zugegebenermaßen – sehr attraktives Gesicht. Diesmal enttarnte sie sofort das versteckte Lächeln.
Tatsächlich! Sie wurde soeben auf die Probe gestellt! Fein! Aber dafür hatte er sich die Falsche ausgesucht! Vor genau vier Jahren hatte Stevie sich von allen männlichen Bekanntschaften, welcher Art auch immer, losgesagt. So etwas besaß in ihrem Leben keinen Platz mehr, seitdem sie sich urplötzlich als Vormund ihrer Schwester und ihrer so ziemlich lebensuntüchtigen Mutter wiedergefunden hatte. Ohne, dass jemand die Güte besaß, sie vorher zu fragen, ob sie den Job überhaupt wolle, nur mal nebenbei.
Mit Sicherheit
Weitere Kostenlose Bücher