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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Ich deutete mit dem Kopf in Richtung der beiden Constables, die jetzt vielleicht noch hundert Meter entfernt waren.
    »Haben dich die Bullen auf dem Kieker?« fragte die kleine Zigeunerin mit großen Augen. Sie hörte auf zu treten.
    »Kannst du laufen, Mann?«
    »Ich weiß nicht -«
    »Komm jetzt, is besser als erschossen werden!«
    Sie umklammerte meinen Ärmel, und wir jagten durch dichter werdende Passantenmengen die Roxboro hinauf, das Mädchen mit dem strengen Gesicht und ihrem flatternden Schottenrock, und ich mit schmerzenden Schienbeinen hinterher. Hinter mir hörte ich immer noch den beleidigten Japaner brüllen: »Du waltest hiel!« Und jetzt schrille Polizistenpfeifen.
    »Wo willst du hin -?«
    »Sei still - spar dir die Luft fürs Laufen, Mann!« Das Zigeunermädchen warf einen Blick zurück zu den Constables. »Ich bring dich zu Sister, mehr mußt du nicht wissen.«
    Ich hörte einen Schuß.
    »Mensch - Gooott!« rief das Zigeunermädchen, während wir weiterliefen. »Beschissener Himmel, hilf!«
    Wir rasten eine Gasse mit Kopfsteinpflaster hinunter. Ich kam aus dem Schritt, als mir ein stechender Schmerz durch die Unterschenkel schoß. Die kleine Zigeunerin hielt mich aufrecht, und wir liefen weiter.
    Noch ein Schuß, der diesmal als Querschläger von einem Schieferdach abprallte. Wenigstens schießen sie in die Luft, dachte ich. Die Zigeunerin war nicht ganz so dankbar.
    »Scheißbullen!« brüllte sie.
    Wir stürmten an einem alten schwarzen Lieferwagen vorbei, der mit laufendem Motor fast am unteren Ende der Gasse stand. Und als wir vorbeikamen, verpaßte das Mädchen der Beifahrertür einen gutplazierten Tritt. Dann griff sie mit der freien Hand unter ihre Strickjacke und zog eine dicke Brieftasche heraus. Diese hob sie über den Kopf, warf sie hoch in die Luft und schrie: »Geld, Geld, Geld, Geld...!«
    Dutzende irischer Pfundnoten, japanischer Yen und Reiseschecks flatterten über das Kopfsteinpflaster. Und Frauen mit Kopftüchern schlugen sich darum, sie aufzuheben. Ich riskierte einen Blick zurück. Der Transporter machte einen Satz vom Bordstein und raste nun zwischen den wütenden Constables und uns die Gasse hinunter.
    Am Ende der Straße bog das Mädchen in einen kleinen Wochenmarkt mit Obst- und Gemüsekarren, Fischhändlern und mehreren Cafés ein. Hiervon abgeschnitten fuhr der Lieferwagen, der uns Deckung vor den Constables gegeben hatte, unbeirrt weiter, holperte die Gasse entlang.
    »Ich kann nicht mehr lange«, keuchte ich, während sich der Schmerz weiter in meine Beine bohrte.
    »Du mußt aber, Mann - wenigstens, bis wir wieder auf der Hauptstraße sind! Komm, halt dich an mir fest!«
    Ein weiterer Schuß in die Luft. Menschen schrien. Wir stürmten in weitem Bogen um ein Café. Zwischen den Tischen sah ich wieder die O’Connell Street.
    Ein erschreckter Kellner konnte ein großes, rundes Tablett nicht mehr ausbalancieren. Schwere gläserne Bierkrüge krachten auf den Boden.
    Ich rutschte in dem schäumenden Bier und zerbrochenen Glas aus und stürzte, wobei mein Knie das meiste abbekam. Ich sah den schnell größer werdenden Blutfleck auf dem Hosenbein und auch die scharfkantigen Glassplitter, die sich ins Fleisch gegraben hatten. Und als ich die klaffende Wunde anstarrte, widerte ich mich an wegen all des Alkohols, den ich an diesem Tag bereits getrunken hatte, und wie er mich geschwächt und gebremst hatte.
    »Ich kann nicht -!«
    »Wie sind fast da. Halt dich fest!«
    Die kleine Zigeunerin zog meinen Arm über ihre Schulter und lief weiter, als ob der Teufel hinter ihr her wäre. Jetzt auf die O’Connell Street, auf unseren drei Beinen.
    »Wir sind gleich da!« brüllte sie.
    Wir rannten auf ihre Kumpane zu, die alle brav neben dem tobenden japanischen Touristen standen. Am Bordstein wartete mit laufendem Motor der schwarze Lieferwagen. Die Constables holten weiter auf.
    Dann durchbohrte irgendwas mein gesundes Bein, von hinten in den Oberschenkel. Der gedämpfte Knall des Schusses kam eine halbe Sekunde später.
    Ich brach zusammen, schlug mit dem Kinn auf den Asphalt. Ich hörte Menschen aufschreien, und ich spürte die beiden Hände der Zigeunerin auf meinem Kragen. Sie zerrte mich über den Boden. Aber das alles passierte jemand anderem, nicht mir.
    Das Gesicht der Zigeunerin glänzte vor Schweiß. Ich hörte ihre Stimme, rauh und laut vor dem Hintergrund all der anderen Geräusche. »Ich hab Maireads Jungen hier... er ist angeschossen... bringt ihn zu Sister...!«
    Der

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