Erwachende Leidenschaft
beiden verließen die Eingangshalle.
Flannaghan bemerkte gar nicht, daß die Wachen fort waren, genauso wenig bemerkte er Alesandra. Niemals hätte er weitergeredet, wenn er gewußt hätte, daß sie dort oben stand und lauschte.
»Sie ist genauso, wie ich mir eine Prinzessin vorgestellt hatte«, schwärmte er begeistert seinem Herrn vor. »Sie hat mitternachtsschwarzes Haar, das in weichen Locken um ihre Schultern zu fließen scheint. Ihre Augen sind blau, aber von einem Blau, wie ich es noch nie gesehen habe … so strahlend und klar. Sie ist so klein und zierlich, daß sogar ich mich wie ein Riese gefühlt habe, als sie zu mir aufgeschaut hat, Mylord.« Flannaghan hielt lange genug inne, um Atem zu holen. »Sie ist wirklich ein Traum.«
Colin kümmerte sich kaum um das Gerede seines Butlers. Er hatte gerade seine Faust in das Gesicht eines der beiden Fremden rammen und sie dann auf die Straße werfen wollen, als Flannaghan heruntergeschossen kam und ihm erklärte, daß die beiden Männer vom Duke of Williamshire kamen. Colin hatte also den größeren der beiden Männer losgelassen und erneut begonnen, die Papiere in seiner Hand durchzublättern. Er suchte den Bericht, den sein Partner fertiggeschrieben hatte, und hoffte nur inbrünstig, daß er ihn nicht im Büro gelassen hatte, denn er war entschlossen, die Zahlen noch in seine Unterlagen zu übertragen, bevor er ins Bett ging.
Colin war ausgesprochen schlecht gelaunt. Tatsächlich war er ein wenig enttäuscht, daß sich der Butler eingemischt hatte. Eine anständige Prügelei hätte ihm helfen können, seinen Ärger abzureagieren.
Gerade als Flannaghan wieder ansetzte, fand er das fehlende Blatt in seinem Stapel Papiere.
»Prinzessin Alesandra ist eher dünn, aber man muß trotzdem feststellen, daß sie eine wirklich reizende Figur hat.«
»Das reicht«, befahl Colin mit sanfter, doch entschiedener Stimme.
Der Diener verstummte augenblicklich, doch seine Enttäuschung war nicht zu übersehen. Er hatte doch gerade erst begonnen, Prinzessin Alesandras Vorzüge aufzuzählen, und er wußte, er hätte das durchaus noch fortführen können. Ja, er hatte noch nicht einmal ihr Lächeln erwähnt oder ihre königliche Haltung, ihr …
»Also gut, Flannaghan«, riß Colin den Butler aus den Gedanken. »Versuchen wir, der Sache auf den Grund zu gehen. Vorhin hat eine Prinzessin sich entschlossen, bei uns einzuziehen, ist das so korrekt?«
»Ja, Mylord.«
»Warum?«
»Warum was, Mylord?«
Colin seufzte. »Warum, vermutest du, will …«
»Es steht mir nicht an, zu vermuten«, unterbrach Flannaghan ihn.
»Hat dich das jemals davon abgehalten?«
Flannaghan grinste. Er nahm dies durchaus als Kompliment. Colin gähnte. Himmel, er war so müde. Zudem war er wirklich nicht in der Stimmung, sich diese Nacht noch mit Besuch zu beschäftigen. Er war erschöpft von der vielen Arbeit, frustriert, weil es ihm nicht gelungen war, die verdammten Zahlen zu einem vernünftigen Gewinn zusammenzurechnen, und ausgesprochen müde, sich mit der ganzen Konkurrenz herumzuschlagen. Es kam ihm vor, als würde jeden Tag eine neue Reedereigesellschaft gegründet.
Zu seinen finanziellen Sorgen kamen noch die körperlichen Schmerzen hinzu. Sein linkes Bein, das bei einem Unfall auf See vor mehreren Jahren verletzt worden war, pochte heftig. Er wollte nur noch mit einem heißen Brandy ins Bett fallen.
Aber er konnte seiner Müdigkeit noch nicht nachgeben, es gab noch zu tun. Er drückte Flannaghan seinen Umhang in die Hand, stellte seinen Stock in den Schirmhalter und legte den Papierstapel auf einen Beistelltisch.
»Mylord, soll ich Ihnen etwas zu trinken bringen?« »Ich nehme einen Brandy im Arbeitszimmer«, antwortete er.
»Und warum nennst du mich eigentlich Mylord? Ich habe dir doch erlaubt, Colin zu sagen.«
»Aber das war doch davor.«
»Wovor?«
»Bevor wir eine echte Prinzessin zu Besuch bekamen«, erklärte Flannaghan. »Es gehört sich doch nicht, Sie vor ihr Colin zu nennen. Oder soll ich Sir Hallbrook zu Ihnen sagen?«
»Ich würde Colin vorziehen.«
»Wie ich schon erklärte, Mylord, das gehört sich jetzt nicht.«
Colin mußte lachen. Flannaghan hatte sich richtig aufgeblasen angehört. Er benahm sich immer mehr wie, Sterns, der Butler seines Bruders, und Colin hätte wirklich nicht überrascht sein sollen. Sterns war Flannaghans Onkel und hatte den jungen Mann am Anfang der Saison in Colins Haushalt untergebracht.
»Du wirst langsam genauso hochnäsig wie dein
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