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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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Zicke – noch immer kümmerte er sich um mich.
    »Du hast nicht zufällig eine Fackel in deiner Trickkiste, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Griffin sagte, dass du diese Reise in natürlichem Licht zurücklegen musst.«
    Ich schaute den Berg vor uns an. Ich konnte seinen Umriss kaum erkennen. »Sonst noch irgendwelche Anweisungen?«
    »Steig auf den Gipfel. Wenn du oben bist, wirst du wissen, was du zu tun hast.« Er zog mich kurz an sich und küsste mich auf den Kopf. »Sei vorsichtig. Ich werde auf dich warten.« Er strich mir über den Hinterkopf. Es tat weh, wo er mich an den Haaren gepackt hatte. Es war wohl nicht alles nur zärtlich gewesen.
    Meine alte Freundin Schuld plagte mich noch eine Weile, als ich loslief. Ich wünschte, ich könnte sein, was Phoenix wollte, aber ich wusste auch, dass ich ihm ziemlich wahrscheinlich bereits gegeben hatte, was er am meisten wollte.

KAPITEL VIERUNDZWANZIG
    »Was Mut und Willenskraft anbelangt, so können wir nicht messen, wie viel wir davon in uns tragen; wir können nur darauf vertrauen, dass sie ausreichen, um uns durch die Prüfungen zu tragen, die vor uns liegen.«
    ANDRE NORTON
     
    E s war gut, dass ich meinen Pulli mitgenommen hatte, mehr als Schutz als wegen irgendetwas anderem. Das Gelände war dicht bewachsen, und es gab keine sichtbaren Pfade, denen ich folgen konnte. Die Luft war schwer von satten, waldigen Gerüchen.
    Obwohl sich meine Augen dem schwachen Mondlicht angepasst hatten, konnte ich in jede Richtung nur etwa fünfzehn Meter am Stück sehen. Als ich durch die Bäume brach und auf trockenes Laub und Zweige trat, hoffte ich, dass ich dadurch wilde Tiere eher abschrecken als reizen würde. Es wäre typisch für mich, wenn ich auf dem Weg zum Sprung von einem Felsen von wilden Tieren aufgefressen würde.
    Zu spät fiel mir auf, dass der direkteste Weg auf den Berg hinauf wahrscheinlich nicht der beste war. Ich zog mir die Kapuze über den Kopf, um mich vor dornigen Zweigen und vereinzelten dürren Ästen zu schützen, die von den Bäumen abstanden und mir beim Vorbeigehen ins Gesicht schlugen.
    Nur einmal blieb ich stehen, um etwas Wasser zu trinken. Ich fühlte mich seltsam getröstet, weil ich ein klares Ziel und eine Aufgabe hatte. Ich wollte nicht dauernd stehen bleiben und mir diesen Schwung nehmen lassen – das würde mir nur Zeit geben, über Dinge nachzudenken, die ich nicht ändern konnte. Es stellte sich heraus, dass Wandern eine willkommene Abwechslung war.
    Als ich oben ankam, waren meine Knöchel, das einzige unbedeckte Stück zwischen Schuhen und Hose, von peitschenden Zweigen und gezackten Felsen zerfetzt. Meine Handrücken hatten ein ähnliches Schicksal erlitten. Mein Gesicht war abgesehen von ein paar kleineren Kratzern auf der Stirn, die von einem besonders fiesen Dornbusch stammten, relativ unversehrt. Ich war froh, dass ich trotz meiner mangelnden Vorbereitung wenigstens einen Pulli mit Kapuze mitgenommen hatte.
    Es war eine Wanderung von etwas über einer Stunde, aber als ich oben am Hang stand, mich vorbeugte und meine Hände auf die Knie stützte, gönnte ich mir einen Augenblick lang den Stolz eines Eroberers. Dann richtete ich mich wieder auf – und sah die Felswand.
    Sie ragte hoch auf. Ein Gigant, der mich mit seiner Unausweichlichkeit verhöhnte. Jegliches Erfolgsgefühl, in dem ich mir erlaubt hatte zu schwelgen, schwand dahin. Mutter …
    Von unten würde man nicht annehmen, dass der Gipfel des Berges die Antwort auf Mount Thor darzustellen schien. Trotz meines trockenen Mundes schluckte ich und ich fragte mich, was mich auf der anderen Seite erwartete – bzw. unten?
    In meinen Ohren dröhnte es und mein Magen zog sich zusammen, als ich mich an Lincolns Worte erinnerte. »Ich wollte nur, dass du vorbereitet bist, die Oberhand behältst.«
    Kein Wunder, dass Klettern ganz oben auf seiner Todo-Liste gestanden hatte. Ich dachte zurück an meinen letzten Versuch mit Steph. Heute konnte ich es mir nicht leisten, leichtsinnig zu sein. Kein Sicherheitsseil und keine Engel, die nur darauf warteten, mich aufzufangen. Rasch überdachte ich noch einmal meine hastig getroffene Entscheidung, dass Phoenix mich nicht begleiten sollte. Ich schaute auf mein Handy-Display – noch etwas über eine Stunde bis Sonnenaufgang, zu spät, jetzt noch etwas dagegen zu unternehmen.
    Ich studierte, so gut es ging, die Oberfläche der Felswand, suchte nach der geeignetsten Route und schätzte Reserverouten ab. Etwas widerwillig beschloss ich,

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