Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
sah zum Fenster und versuchte, sich gegen die unendliche Schwärze dort hinter den Scheiben zu schützen. Das Gefühl, das sich in diesem Moment in ihm breitmachte, kannte er schon von früheren Geschäftsreisen, aber jetzt fühlte es sich beängstigender an als je zuvor: Er war wahrhaftig sehr weit weg von zu Hause. Viel zu weit.
***
»Was sagst du da, Mbomo?« René E. Eriksen begann zu schwitzen, seine Hand umklammerte den Hörer.
»Ich sage, dass William Stark heute Morgen nicht im Hotel war, als ich ihn abholen wollte. Und eben gerade habe ich erfahren, dass er zurückgeflogen ist.«
»Wie in aller Welt konnte das passieren? Es war verdammt noch mal dein Job, dich um ihn zu kümmern!«
René Eriksen versuchte, sich zu konzentrieren. Die Absprache hatte gelautet, dass Mbomo oder einer seiner Handlanger William Stark am Morgen im Hotel abholen sollte und dass man dann nichts mehr von ihm hören würde. Wo und wie Stark verschwand, war zweitrangig, es musste nur sang- und klanglos vonstattengehen. Und jetzt war Stark plötzlich auf dem Weg zurück nach Dänemark! Was war da passiert? War Stark auf eine Spur gestoßen, womöglich auf eine, die zu ihnen führte?
»Was zum Teufel kann denn seit gestern Abend passiert sein? Ich dachte, du hättest die Situation unter Kontrolle, Mbomo. Stark muss irgendetwas herausbekommen haben.«
»Keine Ahnung«, antwortete Mbomo. Er wusste nicht, dass Eriksen in den letzten Tagen Höllenqualen gelitten hatte bei dem Gedanken, einen weiteren Menschen in den Tod zu schicken – und nun, da er endlich zu der Überzeugung gelangt war, dass es keine Alternative gab, begann der Albtraum von Neuem.
Dennoch war René Eriksen sofort klar, was nun zu geschehen hatte. Mbomo musste nicht nur vom Baka-Projekt abgezogen werden, nein, er musste vollständig verschwinden. Dieser Trottel hatte allen nur Unglück gebracht. Und: Er wusste zu viel.
»Ich melde mich wieder bei dir, Mbomo. Verhalte dich bis auf Weiteres ruhig. Geh nach Hause und bleib dort. Wir schicken später am Tag jemanden zu dir, der dich über den weiteren Ablauf informieren wird.«
Dann legte René E. Eriksen auf.
***
Die Räume in der Karrebæk-Bank, in denen sonst der Vorstand tagte, konnten nicht gerade als bescheiden bezeichnet werden. Die Lage, die Möblierung und die Bürotechnik ließen nur einen Schluss zu: Man befand sich am Hauptsitz eines der führenden Geldinstitute des Landes. Alles hier war teuer und extravagant, und die Erscheinung des Vorstandsvorsitzenden Teis Snap verstärkte diesen Eindruck noch.
»Ich habe unseren guten alten Aufsichtsratsvorsitzenden Jens Brage-Schmidt gebeten, sich zu unserer kleinen Besprechung dazuzuschalten. Schließlich sitzt er mit uns in einem Boot.«
Snap hatte hinter seinem imposanten Schreibtisch Platz genommen.
»Jens, hörst du uns klar und deutlich?«
Eine bekräftigende Antwort war aus den Nussbaumlautsprechern zu hören. Die Stimme drückte Autorität aus, auch wenn sie im Moment etwas pfeifend klang.
»Gut, beginnen wir.« Teis Snap wandte sich an René. »Es tut mir leid, das so unumwunden sagen zu müssen, René. Aber nach deinem Gespräch mit Mbomo heute sind Jens und ich zu dem Ergebnis gekommen, dass es nur eine Lösung für das Problem gibt: William Stark muss unter allen Umständen gestoppt werden. Dafür ist jedes Mittel recht. Und du musst garantieren, dass das Baka-Projekt in Zukunft nie mehr in die Nähe eines Mitarbeiters mit Starks ausgeprägtem Pflichteifer kommt.«
»William Stark aufhalten? Der ist in Kürze wieder in Dänemark, darüber seid ihr euch im Klaren?«
»Es geht nicht anders. Wir müssen alle tickenden Zeitbomben entschärfen. Louis Fon haben wir schon gestoppt, Mbomo ist als Nächster dran, dann William Stark. Danach läuft alles wieder nach Plan. Die Beamten im Ministerium in Jaunde sind safe , die stecken viel zu tief drin. Du wirst auch in Zukunft regelmäßig Berichte von irgendeinem Beamten dort unten erhalten, der eine Zeit lang bereit ist, als Louis Fon zu unterschreiben,und der dein Ministerium umfassend darüber informieren wird, wie erfolgreich das Projekt voranschreitet. Alles wieder in bester Ordnung. Wie das so ist bei diesen afrikanischen Hilfsprojekten. Dann und wann die eine oder andere positive Nachricht, viel mehr erwartet man doch gar nicht.«
Aus dem Lautsprecher war ein zustimmendes Knurren zu vernehmen. René war Brage-Schmidt nie begegnet, aber sein Tonfall ließ erahnen, dass er es gewohnt war, Menschen
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