Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
unter Kontrolle.
»Bring einfach irgendwas mit.«
Sie winkten sich zu, und als das Auto weggefahren war, drehte sich Tilde wieder zu Marco um.
»Wir holen unsere Sachen aus dem Haus. Die Polizei war vor ein paar Tagen bei uns, und danach wollte meine Mutter sie nicht länger hier lassen.«
»Warum?«
»Die haben alles Mögliche über William erzählt, was ihr sehr wehgetan hat. Auch etwas, das mit dir zu tun hatte.«
»Mit mir? Was denn?«
»Das ist jetzt egal, es stimmt sowieso nicht. Und dann haben sie noch gesagt, dass er Geld ausgegeben hätte, das vielleicht nicht seins war. Aber das können wir uns einfach nicht vorstellen. Völlig unmöglich, dass er vor uns solche Geheimnisse hatte. Wenn du ihn gekannt hättest und im Haus gewesen wärst, wüsstest du das sofort.«
»Da bin ich drin gewesen«, gab er zu.
Ihr Gesicht verdüsterte sich, als er ihr von seiner Neugier erzählte, davon, wie er durch den Keller in den Bungalow eingestiegen war und schließlich dort übernachtet und den Code im Tresor entdeckt hatte.
»Also, dass du einfach eingebrochen bist, das finde ich schon ziemlich schräg. Die Vorstellung stört mich. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt noch mit dir reden möchte. Gerade kommt mir das total verkehrt vor.«
Marco nickte und schwieg. Er konnte sie ja verstehen.
»Und? Was sagst du dazu?«, hakte sie nach.
»Ich bin nur gekommen, damit du die Wahrheit erfährst. Du kannst damit jetzt zur Polizei gehen. Am besten fragst du nach einem Carl Mørck. Der ist auch schon hier gewesen.«
»Ich weiß, wer das ist«, sagte sie überrascht. »Der hat uns nämlich von dir erzählt.«
Marco sah sie erstaunt an. Aber noch ehe er Tilde fragen konnte, was dieser Mørck ihr denn erzählt hatte, kam sie ihm mit einer Frage zuvor: »Was ist das für ein Code im Geldschrank? Zeigst du ihn mir?«
Sie lag auf dem Fußboden und schaute nach oben in den Tresor.
»A4C4C6F67«, wiederholte sie mehrmals, bis sie die Kombination auswendig konnte. Dann setzte sie sich auf und schaute Marco nachdenklich an.
»Das sind doch Schachzüge«, sagte sie schließlich. »A4 zu C4 zu C6 zu F6 und zu F7. Aber warum? Das macht doch überhaupt keinen Sinn.«
Sie schüttelte den Kopf. »William und ich haben oft zusammen Schach gespielt, und diese Züge sind absolut sinnlos, das kannst du mir glauben.«
»Ich habe noch nie Schach gespielt. Was bedeutet das? Was bedeutet zum Beispiel C6?«
»Das ist ein bestimmtes Schachfeld. Stell dir ein Schachbrettvor, das hat vierundsechzig Felder. Acht waagerecht und acht senkrecht. Jedes Feld hat einen Namen, und man beginnt mit dem Feld in der untersten linken Ecke. Dann waagerecht von links nach rechts A, B, C und so weiter, und von unten senkrecht nach oben 1, 2, 3, 4 bis zur 8.«
Marco überlegte. »C6 ist also das dritte Feld von links und das sechste von unten?«
»Genau. Aber wie gesagt: Diese Zugfolge, wenn es denn eine ist, ergibt im Schachspiel nicht viel Sinn.«
»Vielleicht sind ja auch gar keine Schachzüge gemeint? Vielleicht verweisen die Zahlen und Buchstaben auf etwas ganz anderes?«
»Du meinst, auf etwas, das nur so aussieht wie ein Schachbrett? Etwas mit Quadraten und vierundsechzig Feldern?«
Sie sahen sich an. Beide hatten denselben Gedanken.
»Wie viele Steinplatten hat die Terrasse?«, fragte Marco.
Tilde zog ihn an der Hand durch die Terrassentür. Obwohl es inzwischen schon spät war, war es immer noch mild. Trotzdem zitterte Tilde, als sie die Platten zählten.
»Du hast recht: acht mal acht«, sagte Marco, während Tilde das Beet neben der Terrasse inspizierte.
»Hier, den können wir brauchen.« Sie zeigte ihm einen weißen kreideartigen Stein, den sie gefunden hatte.
Dann zählte sie die Platten mit dem Finger ab, und jedes Mal, wenn sie zu einer aus dem Code kam, schrieb sie die Nummer darauf. A4, C4, C6, F6 und F7. Insgesamt fünf Fliesen.
»Jetzt bist du dran«, sagte sie und deutete auf A4.
Marco sah sich um.
»Da drüben.« Sie zeigte auf einen Spaten, der am Fahrradschuppen lehnte.
Marco lockerte die Platte A4, indem er mit dem Spaten in die Fugen ringsum stach. Darunter war außer Insekten und Sand nicht viel zu sehen.
»Grab mal ein bisschen im Sand.«
Kaum hatte er das Spatenblatt in die Erde gesteckt, spürte er einen Widerstand.
»Vorsichtig!«, rief sie aufgeregt. »Nimm die Hände!«
Marco kniete sich hin und legte eine kleine Plastikdose frei, wie man sie zur Aufbewahrung von Essensresten benutzte. Nun ging auch
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