Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition)
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»Nichtarier« dürfen nicht in die Deutsche Studentenschaft und
ihre braune Studentenkarte wird durch eine gelbe ersetzt. Nach dem Rauswurf aus
dem Tennisclub erlebt mein Vater als junger Student nun weitere Ausgrenzung und
Demütigung.
Am Abend des 10. Mai 1933 spricht es sich schnell herum, dass
Studenten und Professoren vom Bockenheimer Campus in Richtung Römerberg ziehen,
um dort an der Bücherverbrennung teilzunehmen.
Unter erwartungsvollem Schweigen der Menge
traf gegen 9 Uhr der Zug der Dozentenschaft und Studentenschaft auf dem Römerberg
ein. Dem Zug voran marschierte die SS-Kapelle … Die zur Verbrennung bestimmten
Bücher, Schriften und Zeitungen wurden auf einem mit Ochsen bespannten Wagen
mitgeführt. Hochschulgruppenführer stud. jur. Georg-Wilhelm Müller verliest die
Namen der Schriftsteller, deren Bücher dann von den Studenten ins Feuer
geworfen werden: Kästner, Feuchtwanger, Marx, Heinrich Mann, Werfel, Stefan
Zweig, Döblin und viele andere. Der evangelische Hochschulpfarrer Otto Fricke
verliest dazu eine Ansprache, in der er betont, daß es sich jetzt darum
handele, ein Bekenntnis zum deutschen Wesen abzulegen und im Sinne der von
Hitler geführten Revolution zu den wahren Quellen unserer Kraft zurückzufinden. 38
13 Jahre später wird Pfarrer Fricke vor der Spruchkammer
im Rahmen der Entnazifizierung behaupten, dass er geglaubt habe, »es handele
sich bei der Verbrennung um pornographische Schriften und Schundliteratur.«
Im Juni 1933 verschärft die nationalsozialistische Studentenführung
ihre antisemitischen Aktionen an der Universität, wie sich der jüdische
Medizinstudent Wolf Elkan erinnert:
Dies wurde ziemlich schnell deutlich, als
eines Morgens nach einer Anatomievorlesung der Naziführer der Medizinischen Fakultät
uniformiert in der großen Aula erschien. Er war von mehr als zehn Nazis in
Uniform umgeben, ging an das Vorlesungspult und rief: »Nichtarier werden
gebeten, den Hörsaal zu verlassen.« Danach begann er seine Ansprache: Man hätte
den Juden erlaubt zu studieren, aber sie seien während der letzten Wochen so impertinent
geworden, daß sie wieder die ersten Reihen okkupierten. Dabei müßten sie sich
doch glücklich schätzen, wenn man sie überhaupt noch studieren ließe. Sie
dürften von nun an nur noch auf den hinteren Bänken sitzen. 39
Zum Schluss des Sommersemesters 1933 drückte
Studentenführer Müller seine Freude darüber aus, dass nunmehr auch an der
Frankfurter Universität das Hakenkreuz gesiegt habe. Im Arbeitsbericht an die
Reichsstudentenführung schrieb er:
Leider war es jedoch im ersten Ansturm nicht
gelungen, die Universität restlos von den Schlacken des einstmals
liberalistischen Geistes zu reinigen, so daß für eine nochmalige Aktion der
Reinigung wohl noch Arbeit bliebe. 40
Im November 1933 schließt die Universität Frankfurt
aufgrund des »Überfüllungsgesetzes« einige jüdische Studenten vom weiteren
Studium aus, obwohl die Zahl der »Nichtarier« an keiner Fakultät die 1,5
Prozent übersteigt. Die Namen der ausgeschlossenen Studenten werden allen
anderen Universitäten im Reich mitgeteilt, um den Verwiesenen auch dort ein Studium
unmöglich zu machen.
Ob mein Vater also nach dem vierten Semester vorsichtshalber
Frankfurt verlassen hat und nach Heidelberg geht, um einem Ausschluss
zuvorzukommen? Viele »nichtarische« Studentinnen und Studenten brechen sogar
»freiwillig« ihr Studium ab, weil sie die Pöbeleien und Angriffe des NSDS t B nicht mehr ertragen
können.
Mehr als ein Drittel aller Frankfurter Hochschullehrer wird 1933 in
Frankfurt von ihrem Lehrstuhl entfernt, unter ihnen der Sozialphilosoph Max
Horkheimer sowie die Juristen Karl Pribram und Ernst Eduard Hirsch, bei denen
mein Vater Seminare belegt hatte.
Der Studentenführer Georg-Wilhelm Müller hätte meinem Vater
einige Jahre später an einem ganz anderen Ort gefährlich werden können. Müller
arbeitete seit Ende 1936 für Reichspropagandaminister Joseph Goebbels und wurde
als dessen Stellvertreter 1940 in das besetzte Norwegen gesandt. Er wurde
Leiter der Hauptabteilung
für Volksaufklärung und Propaganda und rechte Hand von
Reichskommissar Terboven.
Mein Vater und Müller kannten sich von der juristischen Fakultät in
Frankfurt. Müller wusste von der jüdischen Herkunft meines Vaters. Wären sie
sich in Norwegen begegnet, hätte Müller meinen Vater sofort verraten.
Lillian und Helmut kommen zueinander
Mai
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