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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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ich das.« In meinem tiefsten Inneren spürte ich, Xanda hätte ihn jetzt dicht an sich gezogen, hätte seine Haut unter dem T-Shirt gestreichelt, seine Jeans … Für mich war es genug, seinen Arm zu berühren.
    Er kramte in seinem Rucksack und zog ein Blatt Millimeterpapier heraus, das mit einer gleichmäßig wirren Handschrift übersät war. Die Sätze begannen in einer Ecke und breiteten sich dann aus wie die Äste eines Baumes. Er hielt es hoch.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich will, dass du das siehst. Es ist kein Gedicht im herkömmlichen Sinne. Na, irgendwie schon. Es sind eher – Gedankennetze.« Er setzte sich neben mich, strich mit seinen Fingern über die Zeilen. »Das ist es, was einen Menschen genau an diesen Punkt hier bringen kann …«
    »Einen Menschen?«
    »Na ja, eigentlich zwei Menschen.«
    Ich lehnte mich an seine Schulter, konnte aber nur Teile erkennen: Die Schrift beschrieb einen Pfad, ein Labyrinth … Eine Landschaft voller Geheimnisse, versteckt unter den Pfaden … Ein Mädchen, das nach Schatten sucht, Vergangenheit und Zukunft … Welches Geheimnis sucht sie, Antworten oder Lügen … Die Sätze schlängelten sich umeinander, bis zu dem obersten, der sich fast über die ganze Seite erstreckte: Wege kreuzen sich, Zeit steht still … dann werden wir uns begegnen, sie und ich.
    Diese Sätze machten mich schwach, genauso hatte ich mich gefühlt, als er sich in den Linien meiner Labyrinthe verlor, als ob er mich damals schon längst gekannt hatte. Dieser Gedanke machte mich nervös und erschreckte mich gleichzeitig.
    »Bis zu welchem Punkt?«, fragte ich mit unsicherer Stimme. Ich konnte beinahe den Geruch der Feigen in seinem Atem schmecken. Dann trafen sich unsere Lippen, ein irrer, chaotischer und doch zärtlicher Kuss, der reif und fruchtig schmeckte und knisterte wie im Mund zergehende Granatapfelkerne. Seine Hände an meinem Gesicht und meine unter seiner Jacke, Nasen, die aneinanderrieben, und leicht nach oben verrenkte Köpfe – bis er sich losriss. Wir beide waren gefangen in diesem einen, perfekten Moment. In diesem Moment wusste ich, dass ich ihm alles erzählen konnte – über Xanda, über die Labyrinthe. Eines Tages würde ich ihm vielleicht auch von Andre erzählen.
    ***
    Müssen reden , hatte Kamran getextet. Seit ich im Juli weggegangen war, hatten wir kaum miteinander gesprochen, nur ein paar wenige kurze Sätze, und es stand ein Haufen unbeantworteter SMS im Raum, von ihm und von mir. Ich würde es ihm sagen müssen, wenn ich ihn sah. Es wäre dann auch sein Geheimnis.
    Ich schloss mich im Bad ein. Meine Unterhosen zu kontrollieren, ist im Camp zu einem Ritual geworden: hoffen, nachsehen, nichts.
    Delaney hatte einmal gesagt: »Wenn ich nur einmal überfällig bin, dann mach ich mir noch keine Sorgen.« Was aber, wenn ich zweimal überfällig bin? Wenn ich sie heute nicht kriege , dachte ich, dann mache ich einen Test . Aber ich musste Kamran vorher sehen. Bitte lieber Gott, lass es nicht so sein . Unten tippte sich meine Mutter die Finger am Laptop wund. »… jetzt der Erzähler, der gerade die Hintergrundgeschichte erzählt, Trommelwirbel für das große Finale, der letzte Augenblick vor der Offenbarung … oh, ja!« Der Klang ihrer gewisperten Zeilen ließ mir schon jetzt die Nackenhaare zu Berge stehen.
    »Mom, kann ich das Auto haben? Ich muss kurz was einkaufen.« Ich war mir sicher, dass Kamran gerade irgendwo im Big-Boss-Supermarkt war oder bei seinen Eltern im Café.
    »Okay, Süße«, sagte sie gedankenlos. »Bringst du dir eine neue Zahnbürste mit? Nach zwei Monaten im Camp ist deine vermutlich ekelhaft!«
    »Klar, mache ich!« Die Drogerie stand sowieso auf meiner Liste.
    »Oh, ich hab vergessen, dir zu sagen, dass Delaney angerufen hat«, rief Mom mir noch nach, als ich schon an der Haustür war. »Ist sie zurück von ihrem Trip?«
    Sie konnte Delaney erstaunlich gut leiden. Ich musste sie echt anrufen, wenn ich wieder zurück war.
    Eine halbe Stunde später fuhr ich auf den riesigen Parkplatz von Big Boss. Eine Frau mit einem kleinen Kind rollte gerade ihren mit Windeln beladenen Einkaufswagen zu ihrem Jeep. Der Wagen vor mir blinkte. »Mann, mach schon«, grummelte ich und wich mit dem Lexus in großem Bogen aus.
    Und da sah ich ihn. Er sah nicht wirklich aus wie sonst, in dieser roten Big-Boss-Weste, wie er die Einkaufswagen zusammensuchte. Aber er sah genauso aus wie der Mensch, dessen Körper und Seele mich so berührt hatten. Bis zu diesem

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