Erzaehl mir ein Geheimnis
Moment war mir gar nicht klar gewesen, wie sehr ich ihn vermisst hatte.
Doch er war nicht allein.
Er war mit ihr zusammen. Delaney. Sie trug dieselbe Weste wie er und gab ihm einen Klaps auf den Hintern, wobei man ihre Hüftknochen über der Jeans sehen konnte.
Mir zog es den Boden unter den Füßen weg.
Er lachte.
Rammte einen Einkaufswagen gegen ihren.
Alles drehte sich, es zerriss mich, ich hielt das nicht länger aus. Dieser Druck in meinem Körper, ich dachte, ich würde jeden Moment zerplatzen.
Ich fuhr vom Parkplatz, bevor einer der beiden mich entdecken konnte. Ich musste eine Drogerie finden und eine Zahnbürste kaufen.
Ganz zu schweigen von dem Schwangerschaftstest.
3
Hätte Delaney sich letztes Frühjahr doch nur von Brielle Peterson die Schule zeigen lassen und nicht von mir, dann könnte heute alles anders sein.
Aber im zweiten Schulhalbjahr landete sie direkt auf dem leeren Platz neben mir, an einem Tisch, der in der hinteren Ecke des Raumes stand. Während der Lehrer was vom Weltgeschehen erzählte und der Rolle, die wir dabei spielten, schmückte ich all meine Notizen mit einem dicht verschnörkelten Netzwerk aus Linien und Kreisen.
»Psst.« Die Neue lehnte sich zu mir rüber und linste auf meinen Block. »Was zeichnest du da?«
»Ich … zeichne einfach nur«, murmelte ich. In Wirklichkeit versuchte ich, mich an das genaue Bild von dem Gedicht zu erinnern, das Kamran mir gezeigt hatte. Die Worte, die sich von Ast zu Ast schlängelten. Sie lehnte sich wieder zurück und beschäftigte sich mit ihrem iPhone.
Ich hatte schon von ihr gehört. Delaney Pratt. Dass sie von der View-Ridge-Privatschule geflogen war, machte sie besonders, geheimnisvoll. Vor allem hier auf der Elna Mead, Heimat einer kleinen Armee von Möchtegern-Punks. Mit ihrem heiseren Lachen, ihrem Street Style und der Tatsache, dass jeder Kerl in der Umgebung scharf auf sie war, hatte sie sofort alle in ihren Bann gezogen. Gerüchte umgaben sie. Ihr Vater war im Vorstand bei Boeing, mit anderen Worten, was auch immer sie angestellt hatte, um da rauszufliegen, es musste etwas echt Schlimmes gewesen sein.
Als es klingelte, wollte der Lehrer irgendwas von Brielle, unserer Klassensprecherin und potenziellen Führungskraft von morgen. Delaney stand neben mir, ihr gelocktes Haar fiel über eine zerfetzte Seidenjacke und wickelte sich um ihren Körper wie eine Schlange. Irgendwas an ihr schien furchtbar, wunderbar vertraut.
Brielle musterte sie, während der Rest der Klasse aus dem Raum hastete. Als ich mein Buch und die Hefte einsammelte, sagte Brielle: »Klar, ich zeige ihr gerne die Schule.«
Delaneys Schritt verlangsamte sich. »Oh, danke, aber ich habe schon jemanden gefunden, der mich rumführt.« Sie sah mich an und flüsterte: »Wie war dein Name noch gleich?«
»Rand.«
Der Lehrer zuckte mit den Achseln. Brielle verdrehte nur die Augen und stolzierte hinaus.
»Gott, danke .« Delaney kramte in ihrer übergroßen Tasche herum, als wir zusammen rausgingen.
»Also, ähm, ich denke, ich kann dich zu deiner nächsten Stunde bringen. Hast du eine Liste?«
Sie fand ihre Schlüssel neben einer Packung Marlboro, klemmte sich eine Zigarette hinters Ohr und die Schlüssel zwischen die Zähne.
»Sieht nicht so aus«, murmelte sie. Als die letzten Schüler in ihre Klassenzimmer schlenderten, begann sie, Richtung Parkplatz zu laufen und ließ mich im Gang stehen. »Kommst du?«
Essence würde in Chemie auf mich warten, aber sobald sie dann mit Eli bei der Theaterprobe wäre, würde sie gar nicht mehr an mich denken. Kamran würde nach Schulschluss auf mich warten.
»Klar«, sagte ich, kurz bevor ich sie wieder eingeholt hatte.
In Delaneys Audi fuhren wir den Lake Washington Boulevard entlang durch eine Allee gigantischer Lorbeerbäume. Verstreut erstreckten sich kleine Siedlungen den ganzen Berghang bis zum See hinunter. Genau die Art von Villen, für die meine Mutter ihre Seele verkauft hätte. Delaneys Vater besaß eine davon.
Die Küche war aus Granit und Edelstahl, hier goss sich Delaney irgendeinen Schnaps ein. Sie sah mich an, warf mir einen Blick zu und lachte. »Wenn du glaubst, dass das hier schon abgefahren ist, dann solltest du erst mal meinen großen Bruder Dylan kennenlernen. Er schmeißt die krassesten Halloweenpartys. Im Oktober nehm ich dich mit. Ich schwör dir, das wird dich umhauen.«
Sie nahm einen Schluck von ihrem milchig-gelben Gebräu. »Willst du auch ’n Schluck?«
»Merkt dein Dad das
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