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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Verne
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wie viele Kapitäne, und darunter auch ganz vortreffliche Seeleute, haben es büßen müssen, daß sie meine Dienste abwiesen!«
    Nun folgte eine Aufzählung von Schiffen aller Nationen, welche gestrandet oder mit Mann und Maus untergegangen waren, nur weil sie die Warnungen dieses, mit allen Gewässern der Nordsee vertrauten Mannes in den Wind geschlagen hatten. Darauf brachte er eine geradezu zahllose Menge Zeugnisse in russischer, dänischer, deutscher und italienischer Sprache hervor, von denen wir keine Silbe verstanden; nur ein einziges französisches Attest befand sich darunter, ausgestellt von M. E. Pérignon, dem Eigenthümer der Dampfyacht »Fauvette« und Vicepräsident des französischen Yachtclubs. Unter dieser Lavine von guten und minder guten Gründen ermattete endlich unser Widerstand und wurde unser Angreifer nur noch hitziger, so daß uns nur der Ausweg blieb, nach ehrenvoller Vertheidigung zu capituliren.
    Wir nahmen also das Angebot Thomas Pearkop’s an, den »Saint Michel« von Deal nach Rotterdam zu führen. Freilich mußte sich das Lootsenhonorar eine für den »Gentleman« sehr schmerzhafte Amputation gefallen lassen: dasselbe wurde von fünfzehn Pfund, seiner ursprünglichen Forderung auf acht Pfund, also um ziemlich fünfzig Percent herabgesetzt.
    Nun sahen wir erst auf ein Zeichen Thomas Pearkop’s in dem Boote, das ihn zu uns gebracht hatte, den Sack aus getheertem Segeltuche auftauchen, den jeder Lootse, der auf sich hält, unabänderlich bei sich zu führen pflegt. Aber, himmlischer Vater, welch’ ein Sack war das! Einundeinhalb Meter lang und einen halben Meter dick, vollgestopft zum Platzen, geschnürt wie eine Preßwurst, und so schwer, daß ihn kaum zwei kräftige Männer an Bord schaffen konnten. Ich fürchtete, der »Saint Michel« werde unter dieser ungewöhnlichen Last kentern wie ein Fischerboot.
II.
    Bevor wir unseren Bericht fortsetzen, dürfte es sich für die freundlichen Leser, die uns auf dieser Fahrt auf der Nord-und Ostsee folgen wollen, wenn die nachfolgenden Anmerkungen für sie von einigem Interesse sein sollen, empfehlen, sich kurz mit dem Schiffe, auf dem wir uns befanden, bekannt zu machen.
    Der »Saint Michel«, dessen geringe Größe ihn auf den ersten Blick als ungeeignet für weitere Seereisen erscheinen lassen möchte, ist eine reizende Dampfyacht, dreiunddreißig Meter lang und achtunddreißig Registertonnen, das heißt siebenundsechzig Tonnen nach der Messung des französischen Yachtclubs, groß. Er führt dessen dreifarbigen Wimpel mit dem weißen Stern am Maste.
    Erbaut in Nantes, 1876, von der Firma Jollet und Babin, verbindet diese Yacht mit einer zweifellosen Solidität ganz ausgezeichnete nautische Eigenschaften, die es im schlimmsten Fall ermöglichen würden, auch sehr schlechtem Wetter zu trotzen. Nach Thomas Pearkop’s Aussage würde dieselbe bei einem Sturm, den man auszustehen hätte, sogar noch mehr Sicherheit bieten als ein Fahrzeug von höherem Tonnengehalt. Eine derartige Aeußerung des »Gentleman« dürfte jedoch nur mit großer Reserve aufzunehmen sein, denn eine »so kleine« Yacht, die ihm »so viel« in, »so kurzer« Zeit einbrachte, mußte wohl nahezu vollkommen sein. Wir beschränken uns also darauf, von seiner guten Meinung Notiz zu nehmen; der Himmel gebe aber, daß wir niemals in die Verlegenheit kommen möchten, dieselbe wirklich zu erproben.
    Der »Saint Michel« ist ein eisernes Schiff, als Goëlette getakelt, durch fünf wasserdichte Scheidewände getrennt und von eleganter Gestalt. Seine Maschine von fünfundzwanzig indicirten Pferdekräften,
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dreihundert Meterkilogramm – gleich etwas über hundert effective Pferdekräfte – verleiht ihm eine Geschwindigkeit von neun bis neuneinhalb Knoten in der Stunde. Diese Geschwindigkeit kann mit Hilfe des Segelwerkes bis auf zehneinhalb Knoten vergrößert werden; das Schiff ist nämlich so reichlich mit Segeln versehen, daß es, im Fall die Maschine oder Schraube ja ein Unfall träfe, im Nothfall einen gar nicht schlechten Segler abgeben könnte, denn auch ohne Mithilfe des Dampfes erreicht der »Saint Michel« bei günstigem Winde eine Schnelligkeit von sieben bis acht Knoten.
    Die Maschine ist jedoch von ausgezeichneter Construction, nach dem Compound-System mit zwei ungleich großen Cylindern erbaut, hat Oberflächencondensation und ist von dem Marine-Ingenieur Normand in Havre entworfen. Sie macht der Werkstatt der Herren Jollet und Babin, wo sie gebaut wurde, alle

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