Erzählungen
geschriebenen Hymnus auf den Mont-Blanc.
Gegen acht Uhr machten wir uns auf den Weg nach Chamouni; der Gang über die Bossons war schwierig, wurde aber ohne Unfall zurückgelegt.
Eine halbe Stunde vor unserer Ankunft im Thal trafen wir in der Sennhütte der Cascade du Dard mehrere englische Touristen, die uns aufzulauern schienen. Sobald sie unserer ansichtig wurden, näherten sie sich, wünschten uns mit theilnehmendem Eifer Glück zu unserem Erfolge, und einer von ihnen stellte uns seiner Frau, einer ebenso reizenden als distinguirten Dame, vor. Nachdem wir ihr in großen Zügen die Hauptwechselfälle unserer Reise skizzirt hatten, sagte sie in einem Tone, der voll aus dem Herzen kam:
»
How much you are envied here by everybody! Let me touch your alpen-stocks!
« (Wie sehr werden Sie hier von Jedermann beneidet! Gestatten Sie, daß ich Ihre Alpenstöcke berühre!)
Die Ascension des Mont Blanc ist sehr schwierig; es wird behauptet, daß bei dem berühmten Genfer Naturforscher de Saussure dort oben der Keim zu der Krankheit gelegt wurde, an der er wenige Monate später verschied. Was mich betrifft, so kann ich diese vielleicht zu lange Erzählung unserer Erlebnisse wohl am besten beschließen, indem ich folgende Worte Mr. Markham Sherwill’s citire:
»Was man auch darüber sagen mag (endet er die Beschreibung seiner Reise auf den Mont-Blanc), ich würde nie Jemandem zu einer Bergbesteigung rathen, deren Erfolge immer nur verhältnißmäßig gering sein können, wenn man sie mit den Gefahren zusammenhält, in die man sich und Andere damit bringt.«
Ende .
Paul Verne
Von Rotterdam nach Kopenhagen am Bord der Dampfyacht »Saint Michel«
I.
Nach schneller, glücklicher Ueberfahrt von der Küste Englands nach der Maas, von Deal (Grafschaft Kent) in Rotterdam am 5. Juni angelangt, wurden wir daselbst noch am 10. durch ungünstige Witterung zurückgehalten. Ein stürmischer Nordwest rollte gewaltige Wogenmassen gegen den flachen Strand Hollands und verwehrte uns die Ausfahrt. Mindestens wäre es unklug gewesen, mit unserer Dampfyacht »Saint Michel«, trotz ihrer bewährten Seetüchtigkeit und höchst vollkommenen Maschine, der empörten Nordsee gerade an diesen gefährlichen Gestaden Trotz bieten zu wollen.
Das war auch die Ansicht Harry Thomas Pearkop’s, Pilot
for the Channel and the North sea
, wie seine Karte meldete, der sich – etwas gegen unseren Willen – mit an Bord befand. Wir hatten ihn in Deal engagirt, um den »Saint Michel« eigentlich nur durch die Dünen vor der Küste zu lootsen, da sich am Nachmittag des 4. Juni ein dichter Nebelschleier über den Kanal herabzusenken begann; mit der eigenthümlichen Zähigkeit der englischen Race, welche sich den Erwerb einiger Pfund Sterling nicht so leicht entgehen läßt, gelang es ihm aber doch zuletzt, uns von seiner »Unentbehrlichkeit« bei der geplanten Fahrt unserer Yacht zu überzeugen.
Dieser »Gentleman«, der trotz wiederholter Weigerung sich an Bord des »Saint Michel« sozusagen einnistete, hatte übrigens eine gewisse Geschichte. Thomas Pearkop ist ein Mann von mittlerer Größe mit breitem Gesicht, breiten Schultern und stark im Leibe, mit einem Wort, bei ihm geht Alles in die Breite, so auch seine breiten Füße, welche in breiten Schuhen ohne Absätze stecken Er hat ein gutmüthiges Aussehen, blaue Augen, eine gerade Nase – so eine Nase, von welcher man glaubt, sie müsse sehen können – gebräunten, in’s Röthliche spielenden Teint, Bart allein unter dem Kinn – kurz, er bietet ganz das Bild eines wetterfesten Seemannes.
Thomas Pearkop besaß eine starke Stimme, welche auch das Sausen des Windes übertönte, er verstand aber nicht zwei französische Worte. Zum Glück war mir das Englische so weit geläufig, daß ich mich mit ihm verständigen konnte.
»Wir brauchen aber Ihre guten Dienste nicht, Pearkop, sagte ich zu ihm. Unser Kapitän kann uns schon allein führen; nachdem er in dreißig Jahren fünfundzwanzigmal über die Nordsee gekommen ist, kennt er dieselbe gründlich und wird von Leuchtthurm zu Leuchtthurm ebenso sicher fahren, wie der beste Lootse von der Rhede bei den Dünen!
– Aoh, yes!
erwiderte der ›Gentleman‹, aber die Strömungen, die Sandbänke, die Nebel, vorzüglich die Nebel, welche zur Sommerzeit so häufig vorkommen und es unmöglich machen, ein Leuchtfeuer oder die Küste zu erkennen! Was wird dann aus Ihnen werden? Ach, fügte er hinzu und hob melancholisch die großen hellen Augen zum Himmel,
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