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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Verne
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statt nach rechts, nach links hin und begaben uns nach Vlissingen.
    Die Stadt ist eigentlich nur ein Nest zu nennen und bietet an sich keinerlei Interesse; sie liegt ziemlich fern vom Hafen, der, den Aussagen der Einwohner nach, einmal noch zu hoher Bedeutung gelangen soll. Wir wünschen es aufrichtig, aber wir hoffen auch, daß die Kaufleute desselben sich etwas entgegenkommender verhalten möchten, als es unserem Maschinisten gegenüber der Fall war.
    Nachdem wir zu wahrhaft unerhörten Preisen Kohle eingenommen hatten, verließ unsere Yacht Vlissingen wieder, und zwar gegen fünf Uhr Abends; die Mündungen der Schelde sind bald erreicht, und nun befinden wir uns also auf der Fahrt nach Hamburg, unter der hohen Leitung des behäbigen Thomas Pearkop. Wir hatten verabredet, daß der »Saint Michel« im Vorübergehen auch Wilhelmshaven, den großen deutschen Kriegshafen, anlaufen sollte, der sich am Jahdebusen, neben der Ausmündung der Weser befindet, und den wir gern besichtigt hätten.
    Es ist doch ein Lootse ersten Ranges, dieser Teufel von Pearkop! Trotz seiner fünfzig Jahre hat er ein Auge ohne Gleichen! Am Tage wie in der Nacht entgeht ihm kein Leuchtthurm, kein Feuerschiff, kein Fahrzeug oder die flache Küste, die er allemal eine Viertelstunde eher wahrnimmt als jeder Andere. Und dann, jener famose Sack – der enthält Karten, Pläne, Instructionen und vorzüglich ein ungeheueres Fernrohr! Herr des Lebens, was ist das für ein gewaltiger Schlauch! Es rührt, seiner Aussage nach, von einem großen norwegischen Schiffe her, das auf den Godwinbänken, an der Mündung der Themse, zu Grunde ging und von dem nichts, gar nichts, gerettet wurde als dieses gigantische Fernrohr.
    Thomas Pearkop versicherte, er werde es auch um vieles Geld nicht hergeben, obwohl er sonst nach einem Goldstück ziemlich lüstern ist.
    Wenn das Unding mir gehörte, ich gäb’ es umsonst weg, oder zahlte Dem noch darauf, der mir diese Last abnähme, denn ich habe dadurch niemals weder Land noch Licht, weder Ankerboje noch Bake zu erkennen vermocht.
V.
    Auf offener See weht noch immer der Nordwestwind, freilich etwas schwächer, aber doch noch stark genug, um uns einigermaßen zu beunruhigen. Wir haben einen langen Weg vor uns, ohne einen Hafen außer Texel, im Norden der Zuidersee, und dieser hat eine schwierige Einfahrt. Sind wir einmal über diesen hinaus, so müssen wir wohl oder übel weiterdampfen. Die Brise nahm allmählich wieder zu und es war zu befürchten, daß sie mit Sonnenaufgang noch mehr auffrischte. In diesen, höchstens fünfzehn bis zwanzig Faden tiefen Gewässern kommt das Meer schnell in kräftige, kurz stoßende Bewegung und wirst ein so flach gehendes Schiff wie unseren »Saint Michel« unbarmherzig hin und her.
    Wir dachten also schon ernsthaft daran, in Texel wieder vor Anker zu gehen, doch bestimmten uns einerseits die Weigerungen Thomas Pearkop’s, der keine Lust zu haben schien, Nachts daselbst einzulaufen, und eine weitere Erhöhung der Quecksilbersäule des Barometers, die Reise fortzusetzen. Mit Sonnenaufgang wehte der Wind, wie vorausgesehen, wirklich stärker, er ging aber gleichzeitig nach Norden um, was für uns von Vortheil war. Mit dem Winde von der Seite erreichte der »Saint Michel« mit Hilfe seiner Segel bald eine Schnelligkeit von zehn Knoten. Das Wetter klarte nach und nach auf, und gegen neun Uhr Abends kamen wir vor dem Jahdebusen an. Dann heuerten wir einen Bremer Lootsen, dessen Boot auf dem Meere am Eingange der Bucht umherschaukelte, und der es übernahm, unsere Yacht nach Wilhelmshaven zu bringen, wo wir gegen Mitternacht eintrafen.
    Dieser ausschließlich militärischen Zwecken dienende Hafen an der Westseite des Golfes ist durch Thore ohne Schleußen versperrt, die nur zur Fluthzeit geöffnet werden, um Schiffe ein-oder auslaufen zu lassen. Wir wußten natürlich nicht im Voraus, welcher Empfang uns von den Hafenbeamten zutheil werden würde, und ob man einem französischen Schiffe überhaupt den Zutritt gestatten werde.
    Wer darüber erstaunen sollte, daß wir als Franzosen so begierig waren, mehrere Punkte der deutschen Küste und vor Allem Wilhelmshaven kennen zu lernen, dem diene als Erklärung, daß wir der Ansicht huldigen, man könne von fremden Völkern allemal das oder jenes lernen. Was übrigens Deutschland betrifft, so legten wir uns natürlich von vornherein die, unter den gegebenen Umständen nothwendige Reserve auf.
    Am 14. Juni um acht Uhr Morgens gingen wir, mein Bruder

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