Erzählungen
zweitfolgenden Tage in die Ostsee.
– Das würde uns ja sehr angenehm sein, bemerkte ich; doch ist der Kanal, so viel ich weiß, durch mehrere Schleußen unterbrochen, welche vielleicht zu kurz sein möchten, um dieselben mit dem ›Saint Michel‹ zu passiren.
– Das glaube ich nicht, erwiderte der Ingenieur. Uebrigens können wir uns darüber sehr leicht vergewissern. Wie lang ist Ihre Yacht?
– Mit dem Bugspriet sechsunddreißig Meter.
– Das ist freilich etwas lang, meine Herren. Doch wir werden ja sehen; folgen Sie mir gefälligst nach dem Hafenamte, wo man uns verläßlichen Aufschluß geben wird.«
Unterwegs begegneten wir einem Corvettenkapitän, der mit dem Torpedodienst im Jahdebusen betraut war. Der Ingenieur theilte diesem unsere Absicht mit und fragte, ob er dieselbe für ausführbar halte.
»Das ist sehr einfach, antwortete der Officier. Gehen Sie mit mir an Bord eines kleinen Dampfers, der direct von Kiel hier eingetroffen ist. Hier in der Nähe hält eine Dampfschaluppe. Wenn Sie mich begleiten wollen, werden wir sogleich über die Dimension der Schleußen aufgeklärt sein.«
Wir nahmen den freundlichen Vorschlag an und befanden uns zehn Minuten später an Bord des Dampfers, der durch den Eiderkanal zwischen Kiel und Wilhelmshaven verkehrt.
Als ich die, im Verhältniß zu seiner Länge, sehr große Breite dieses Schiffes bemerkte – eine Bauart, welche ohne Zweifel mit Rücksicht auf eben jene Schleußen beliebt worden ist – hatte ich wenig Hoffnung. Mir erschien unsere Yacht entschieden zu lang für die betreffenden Schleußenkammern.
Während ich meinem Bruder diese Befürchtungen mittheilte, hatten die Officiere Specialkarten des Eiderkanals herbeischaffen lassen und maßen die Länge der Schleußen.
Nach ziemlich langer Debatte mit dem Kapitän des Dampfers erklärt der Ingenieur, daß wir wahrscheinlich passiren könnten, daß man darüber durch genaue Messung des »Saint Michel« aber noch weitere Gewißheit erlangen könne. Die Schaluppe dampft ab und wir kehren wieder an Bord zurück.
Bei der Ankunft begegnen wir noch einem hohen Officier, dem der Ingenieur unsere Verlegenheit mittheilt. Nach der üblichen Vorstellung sagt der Officier zu uns:
»Wir haben ja Gelegenheit, meine Herren, alle Ihre Zweifel auf die einfachste Weise zu lösen. Hier liegt auch ein Kanonenboot, welches seiner Zeit von Kiel nach Wilhelmshaven durch den Kanal gedampft ist. Wir messen, wenn Sie das gestatten, ihre Yacht genau aus, dann das Kanonenboot ebenso, und Sie werden sofort wissen, woran Sie sind.«
Wenige Minuten später war der »Saint Michel« von der Spitze des Bugspriets bis zum Hackbord mittelst einer Leine gemessen, dann begaben wir uns nach dem Quai, wo das Kanonenboot lag, und es zeigte sich, daß dieses noch zwei Meter länger war, als unsere Yacht.
Wir glaubten nun zwar unserer Sache gewiß zu sein, aus übergroßer Vorsicht entließ mein Bruder jedoch an den Kanaldirector noch eine Depesche mit genauer Längenangabe seiner Yacht und mit der Bitte, uns nach Tönning Nachricht zu geben, ob wir die Fahrt durch den Kanal unternehmen könnten. Darauf verabschiedeten wir uns von den deutschen Officieren und kehrten nach unserem Schiffe zurück.
Eine Stunde später dampfte der »Saint Michel« nach Tönning, einem kleinen holsteinischen Hafen an der Mündung der Eider, ab.
VII.
Jetzt meldete sich Thomas Pearkop wieder, der sich mit seiner Lieblingsrechnung beschäftigt zu haben schien.
»Wenn Sie mir zwei Pfund mehr geben wollen, sagte er, erspare ich Ihnen das Lootsenhonorar für die Fahrt durch den Jahdebusen, das wenigstens fünf Pfund beträgt, und führe das Schiff selbst hinaus.
– Aber, Pearkop, erwiderte ich, das Fahrwasser ist sehr winkelig. Wir sind während der Nacht hier angekommen, Sie haben sich also wohl kaum genügend über dasselbe und über die Lage der Baken unterrichten können.
– Beruhigen Sie sich, meine Herren, ich sah Alles, was ich brauche, und nehme die Verantwortlichkeit auf mich«
Das Gebot wurde angenommen. Thomas Pearkop leitete das Schiff vortrefflich und verdiente sich seine zwei Pfund, während wir drei ersparten.
Am 15. Juni gegen Abend kamen wir in dem Hafen von Tönning an, der eine herrliche Lage am rechten Eiderufer hat, und nachdem am folgenden Morgen Kohle gefaßt war, besorgten wir uns einen Lootsen nach Rendsburg, dem Punkte, wo der eigentliche Kanal seinen Anfang nimmt.
Hier wartete unser aber eine schmerzliche Enttäuschung. Ein Brief
Weitere Kostenlose Bücher