Erzaehlungen
liegen,« sagte Friederike, und ich streckte mich am Boden des Kahnes aus, legte meinen Kopf auf den Schoß Friederikens. Es war mir recht, daß ich ihr nicht ins Gesicht sehen mußte. Sie sprach, und mir war, als klänge es aus weiter Ferne. Ich verstand alles und konnte doch zugleich meine Gedanken weiter denken.
Mich schauderte vor ihr.
»Heute Abend fahren wir zusammen aufs Meer hinaus,« sagte sie.
Etwas Gespenstisches schien mir um sie zu gleiten.
»Heut Abend aufs Meer,« wiederholte sie langsam, »auf einem Ruderboot. Rudern kannst du doch?«
»Ja«, sagte ich. Mich schauderte vor dem tiefen Verzeihen, das sie schweigend umhüllte, ohne daß sie es wußte.
Sie sprach weiter. »Wir werden uns ins Meer hinaustreiben lassen – und werden allein sein. – Warum redest du nicht?« fragt sie.
»Ich bin glücklich,« sagte ich.
Mir schauerte vor dem stummen Schicksal, das sie seit so vielen Jahren erlebt, ohne es zu ahnen.
Wir glitten hin.
Einen Augenblick fuhr es mir durch den Sinn: Sag es ihr. Nimm dieses Unheimliche von ihr; dann wird sie wieder ein Weib sein für dich wie andere, und du wirst sie begehren. Aber ich durfte es nicht. – Wir legten an.
Ich sprang aus dem Boot; half ihr beim Aussteigen.
»Der Bub wird sich schon nach mir sehnen. Ich muß rasch gehen. Lassen Sie mich jetzt allein.«
Es war lebhaft am Strand; ich merkte, daß wir von einigen Leuten beobachtet wurden.
»Und heute Abend,« sagte sie, »um neun bin ich ... aber was hast du denn?«
»Ich bin sehr glücklich,« sagte ich.
»Heute Abend,« sagte sie, »um neun Uhr bin ich hier am Strand, bin ich bei dir. – Auf Wiedersehen!«
Und sie eilte davon.
»Auf Wiedersehen!« sagte auch ich und blieb stehen. – Aber ich werde sie nie wiedersehen.
Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich schon weit fort – weiter mit jeder Sekunde; ich schreibe sie in einem Kupee des Eisenbahnzuges, der vor einer Stunde von Kopenhagen abgefahren ist. Eben ist es neun. Jetzt steht sie am Strande und wartet auf mich. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich die Gestalt vor mir. Aber es ist nicht eine Frau, die dort am Ufer im Halbdunkel hin und her wandelt – ein Schatten gleitet auf und ab.
Arthur Schnitzler
Der Ehrentag
I
August Witte saß schon eine halbe Stunde im Kaffeehaus und hatte eine Menge Zeitungen vor sich liegen, die er nicht anschaute, als endlich Emerich Berger in großer Hast erschien.
»Na also,« rief ihm August entgegen, »kommst du endlich. Es ist wirklich die höchste Zeit. Alles läßt du einen allein machen.«
»Pardon,« sagte Emerich, indem er sich niedersetzte, »ich hab' noch einen Besuch machen müssen, da bin ich so schwer fortgekommen – ich hab' doch hoffentlich nichts versäumt? Ist doch schon alles arrangiert?«
»Gewiß,« antwortete August mit leichtem Stirnrunzeln – »zum Glück bin
ich
ja da.«
»Also ist eigentlich nichts mehr zu tun, bevor die Geschichte angeht!«
»Jetzt nichts mehr. Ich hab' mir nur noch den Dobrdal herbestellt, um ihm die letzten Instruktionen zu geben.«
»
Daher –
hast du den Dobrdal bestellt?«
»Warum denn nicht? Er sieht sehr anständig aus. Und dann weiß doch ein jeder, daß er nicht zu uns gehört.«
Emerich nickte zustimmend, dann fragte er: »Was ist denn mit den Lorbeerkränzen?«
»Sind schon ins Theater geschafft.«
»Na, da ist ja alles in schönster Ordnung. – Und außer uns weiß keiner was davon, nicht wahr?«
»Niemand. Dem Fred werden wir's allerdings noch sagen, weil er ja mit uns in die Loge geht.«
Emerich schüttelte den Kopf.
»Glaubst nicht, wir sollten den Fred auch lieber ... überraschen?«
»Ja, warum denn?«
»Weißt, ich mein' nur, der Fred ist manchmal so komisch; der ist am End' dagegen.«
»Da kann ich ihm nicht helfen. Wir werden uns wohl noch einen Spaß erlauben dürfen. Und die Verantwortung haben doch wir allein, was?«
»Freilich.
Du
allein.«
»Jawohl,
ich
allein. Auf so einen originellen Einfall wär' sowieso keiner von euch gekommen.«
»Freilich,« lächelte Emerich, »aber irgendwie steckt die Blandini dahinter, da möcht' ich drauf wetten ... und zwar glaub ich –«
In diesem Augenblick begegnete er einem strengen Blicke Augusts, und statt weiterzusprechen, neigte er verlegen den Kopf hin und her, warf ein Stück Zucker in den Kaffee und begann leise zu pfeifen.
»Grüß euch Gott,« sagte Fred, der eben herein getreten war, und reichte den beiden anderen jungen Leuten die Hand. »Ich danke dir sehr für das
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