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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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unvergleichlichsten Entzückung schwelgt ...
    Welch eine Melodie! Und als sie jetzt, zum letzten Male angeschlagen, allmählich verhallte, als der junge Künstler geendet – wie zitterte sie nach, als schlürfe die Luft den Wohllaut ein und wollte sich daran berauschen. –
    Und das Mädchen, hingerissen, wie in einen himmlischen Traum verloren, saß unbeweglich da. Nur wenige Sekunden freilich, dann heftete sie die großen, schimmernden Augen auf ihn, und ihr Blick hing an ihm mit dem Ausdruck einer leidenschaftlichen, rückhaltlosen Bewunderung. Er wollte eben die Lippen zur Rede auftun – als sie ihm schon zu Füßen gesunken war, des Erstaunten Hände an ihren Mund führte und mit heißen Küssen bedeckte. Er beugte sich sprachlos zu ihr herab, und nun umschlang sie ihn seufzend und lachend, mit einer Wildheit, wie er sie nie von ihr gesehen, nie erwartet. Sie lag in seinen Armen, und ihr Atem umflutete den Geliebten mit betäubender Süßigkeit ...
    Welch eine Melodie! – Sie war das Präludium unendlicher Seligkeit für ihn und für sie ...
    Oh, nicht etwa, daß er sie geheiratet hätte – so trivial schließt ein großer Künstler seine interessantesten Abenteuer nicht ab! Aber er blieb ihr lange Zeit treu – ein paar Monate, und während dieser Zeit schrieb er ein Klavierstück und wurde berühmt.
    Wahrhaftig, das klingt wie ein Märchen!
    Es war ein unglaubliches Motiv darin, wie die Enthusiasten sagten. »Die Ausführung ist talentvoll, die Idee aber ist die eines Genies«, sagte ein Kritiker. Die musikalische Welt war voll von diesem Stück und die Frauen besonders. Das hat kein Liebender komponiert – die Liebe selbst hat das geschaffen. Ja, es war auch ein Thema – für die Weiber besonders! – Armes Ännchen, du hast's an dir erfahren!
    Selten war man auf etwas so gespannt wie auf das nächste größere Werk des Komponisten. Es ließ lange auf sich warten, während er, der als der glückliche Erfinder jener schönen musikalischen Idee angesehen wurde, in allen Gesellschaften gefeiert, in manchen Kreisen in den Himmel erhoben wurde und in den Armen der schönsten und elegantesten Damen der Stadt sein Ännchen bald vergaß ... Denn die Frauen sind Künstlern gegenüber außerordentlich nobel, sie lieben es, sich für die gebotenen Genüsse zu revanchieren.
    Sein Klavierstück wurde populär – man arrangierte es für Streichorchester, und das Motiv machte die Runde durch alle Musiksäle der Welt ... Aber wann wird er wieder etwas schreiben? Man wartete, wartete vergebens – und begann enttäuscht zu sein. – Man kannte bald nur mehr jenes herrliche Motiv, und es war daran, daß der Name des Komponisten langsam ins Vergessen kam.
    Da, nach einem Jahre vielleicht, lief die Nachricht in der Stadt herum, der kürzlich erst so sehr Gefeierte habe sich eine Kugel ins Herz gejagt. Und es war so – der junge Künstler war tot! Warum hatte er sich erschossen? Unter allen, mit denen er gelebt, konnte es freilich keiner wissen. Ob etwas Großes mit ihm dahingegangen war – wer durfte es entscheiden? ...
    Wahrscheinlich ist nur, daß in einer dunklen Stunde das Bewußtsein in ihm erwacht war, er verdanke seine plötzliche Berühmtheit weniger seiner eigenen Kraft – als dem Wirken eines sonderbaren Zufalls, dem glücklichen Gedanken irgendeines Träumers, der jenes Notenblatt im Walde verlor; und was ihn getötet, war vielleicht Reue, gekränkte Eitelkeit, vielleicht selbst Neid auf den, welcher jenes Thema geschaffen. Gleichviel, er schied aus der Welt, seines Bleibens war nicht mehr unter denen, die ihn verehrten.
    Und der, welcher jene Melodie in der Tat, wenn auch unbewußt, geschaffen? Hört es sich nicht an wie ein Märchen? Wie eine Historie, lächerlich, trübselig und erstaunlich zugleich!
    Jener Knabe versuchte das berühmte Klavierstück zu spielen – er brachte es nicht zuwege und ließ es sich von seinem Lehrer vortragen. Den Kopf auf die Hand gestützt, saß er da und lauschte andächtig den wunderbaren Klängen – ... und es war ihm wie jedem, der sich in die Schönheit des Themas versenkte. Eine neue, ungekannte Welt stieg von ihm auf, es überkam ihn wie eine Ahnung von einer fernen, phantastischen Herrlichkeit, die man wohl tief empfinden, aber kaum zu fassen vermag ...
    Es war die Musik der Sphären, die ihn umquoll. »Welch eine Melodie!« –

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