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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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erstaunt.
    Er schaute sie an, dann sagte er rasch: »Also wie lebst du? Du mußt dich doch für gewöhnlich sehr langweilen.«
    »Dazu hab' ich nicht viel Zeit,« erwidert sie ernst, »ich gebe nämlich Lektionen.«
    »Oh!« sagte er mit einem Ton so unverhältnismäßigen Bedauerns, daß sie sich veranlaßt fühlte, rasch hinzuzusetzen:
    »Oh, nicht grad, weil ich's dringend brauche, – immerhin es kommt mir schon zustatten, denn ...« Sie fühlt, daß sie am besten tut, ganz aufrichtig mit ihm zu sein: »Von dem wenigen, was ich hab', könnt' ich kaum leben.«
    »Worin unterrichtest du denn eigentlich?«
    »Worin? Hab' ich dir nicht gesagt, daß ich Klavierlektionen gebe?«
    »Klavier? So? Ja richtig ... Du warst sehr talentiert. Wenn du damals nicht ausgetreten wärst .... Siehst du, eine von den großen Pianistinnen wärst du ja nicht geworden, aber für gewisse Dinge hast du eine ganz ausgesprochene Begabung gehabt. Zum Beispiel, Chopin und die kleinen Sachen von Schumann hast du sehr hübsch gespielt.«
    »Du erinnerst dich noch?«
    »Im übrigen, du hast doch das bessere Teil erwählt.«
    »Wieso?«
    »Nun, wenn man nicht das Ganze beherrscht, so ist es schon besser, man nimmt einen Mann und kriegt Kinder.«
    »Ich hab' nur eins.«
    Er lachte. »Erzähl' mir was von dem einen. Und überhaupt von deiner ganzen Existenz.« Sie nahmen in einem kleinen Saal vor den Rembrandts auf dem Divan Platz.
    »Was soll ich dir von mir erzählen? Das ist gar nicht interessant. Erzähl' mir du lieber von dir.« Sie sah ihn mit Bewunderung an. »Dir ist es ja großartig gegangen, du bist ja so berühmt.« Er zuckte ganz leicht, wie unzufrieden, mit der Unterlippe.
    »Nun ja,« sagte sie unbeirrt, »erst neulich hab' ich dein Bild in einer illustrierten Zeitung gesehen.«
    »Ja, ja,« sagte er ungeduldig.
    »Ich hab's aber immer gewußt,« setzte sie fort. »Erinnerst du dich noch, wie du damals bei der Schlußprüfung das Mendelssohn-Konzert gespielt hast, da haben's schon alle gesagt.«
    »Ich bitte dich, mein liebes Kind, wir werden uns doch nicht gegenseitig Komplimente machen! Was war dein verstorbener Mann eigentlich für ein Mensch?«
    »Ein braver, ja ein edler Mensch.«
    »Weißt du übrigens, daß ich deinem Vater etwa acht Tage vor seinem Tode begegnet bin?«
    »So?«
    »Das weißt du nicht?«
    »Er hat bestimmt nichts davon erzählt.«
    »Wir sind vielleicht eine Viertelstunde auf der Straße miteinander gestanden. Ich kam damals gerade von meiner ersten Konzertreise zurück.«
    »Kein Wort hat er mir erzählt – aber kein Wort!« Sie sagte es beinahe zornig, als hätte ihr Vater damals etwas verabsäumt, was ihr künftiges Leben hätte anders gestalten können. »Aber warum bist du damals nicht zu uns gekommen? Wie kommt das überhaupt, daß du plötzlich ausbliebst, schon lang vorher?«
    »Plötzlich? Allmählich.« Er sah sie lang an, und diesmal glitten seine Augen über ihren ganzen Körper herab, so daß sie unwillkürlich ihre Füße unters Kleid und die Arme näher an ihren Leib zog, wie um sich zu verteidigen.
    »Also wie kam das eigentlich mit deiner Heirat?«
    Sie erzählte die ganze Geschichte, Emil hörte ihr scheinbar aufmerksam zu, doch während sie noch weiter sprach und sitzen blieb, stand er auf und sah durchs Fenster ins Freie. Als sie mit einer Bemerkung über die Gutherzigkeit ihrer Verwandten geendet, sagte er: »Wollen wir uns jetzt nicht, da wir nun einmal da sind, ein paar Bilder anschauen?« Sie gingen langsam durch die Säle, da und dort vor einem Bild verweilend. Berta sagte manchmal: »Schön, wunderschön!« Er nickte dann nur mit dem Kopf. Es schien ihr, als wenn er ganz vergäße, daß er mit ihr hier sei. Sie empfand eine leichte Eifersucht auf das Interesse, das ihm die Gemälde einflößten. Plötzlich fand sie sich vor einem der Bilder, das sie aus der Mappe des Herrn Rupius kannte. Während Emil vorüber wollte, blieb sie stehen und begrüßte das Bild wie einen alten Bekannten. »Wunderschön! Emil!« rief sie. »Nicht wahr, schön ist das? Überhaupt hab' ich die Bilder von Falckenborgh sehr gern.«
    Er blickte sie etwas befremdet an.
    Sie wurde verlegen und versuchte weiter zu reden: .... »weil so ungeheuer viel, – weil die ganze Welt ....« Sie fühlte, daß sie unehrlich war, ja, daß sie jemanden bestähle, der sich nicht wehren konnte, und setzte daher, wie reuig, hinzu: »Nämlich ein Herr bei uns in der Stadt hat ein Album, oder vielmehr eine Mappe mit Stichen, und

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