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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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auf. Als er Engelbert gewahrte, zeigte sich ein leichtes Erstaunen auf seinem Gesicht. Dann sagte er freundlich: »Na also!«
    Engelbert wußte, daß das schon eine Art von Anerkennung bedeutete, aber fühlte nichts von dem Glück, das er sich seinerzeit bei dem ersten Zeichen einer solchen Zufriedenheit erwartet hatte. Der Kommissär nahm das Nationale auf. »Bitte, Fräulein ...«
    »Katharina Wessely, Greißlerstochter, zweiundzwanzig Jahre alt ...«
    »Und Sie?«
    »Albert Meierling, Mediziner.«
    »Also – Wachebeleidigung ... Worin hat diese Wachebeleidigung bestanden?«
    »Herr Kommissär«, antwortete der Sicherheitswachmann, »das Fräulein hat mich einen Affen genannt.«
    »Schön, schön«, sagte der Kommissär. »Und der junge Mann?«
    »Hat sich Bemerkungen über die Arretierung der jungen Dame erlaubt.«
    »Schön, schön. Da können wir hier weiter nichts machen. Das gehört ja vors Bezirksgericht. Danke sehr«, wandte er sich an die beiden Häftlinge. »Sie werden seinerzeit die Vorladung bekommen.«
    »So können wir gehen?« fragte der junge Mann, und Engelbert sah bei diesem »wir« rot vor den Augen.
    »Bitte sehr, wohin Sie wollen«, sagte der freundliche Kommissär.
    Kathi warf auf Engelbert einen Blick, als wenn er ihr ein Fremder wäre. Der junge Mann öffnete die Türe und entfernte sich mit dem Mädchen. Engelbert wollte ihnen folgen; da rief ihn der Kommissär an: »Sie, Friedmaier!«
    »Herr Kommissär?«
    »Ich gratulier' Ihnen. Zeit war's schon. Im übrigen, wie ist denn das Mädel dazugekommen, Sie einen Affen zu nennen?«
    »Herr Kommissär, gehorsamst zu melden, es ist nämlich meine Braut.«
    Der Kommissär erhob sich von seinem Sitz. »Wie?« Dann sah er Engelbert lang an, klopfte ihm auf die Schulter. »Brav! Das laß ich mir gefallen.«
    »Oder vielmehr, es war meine Braut, Herr Kommissär«, sagte Engelbert, indem ihm die Tränen aus den Augen stürzten.
    Der Kommissär betrachtete ihn gütig. Dann sagte er: »Also jetzt gehen Sie zurück auf Ihren Posten. Ich werde Sie übrigens zu einer besonderen Belobung empfehlen.«
    Engelbert eilte auf die Straße. Er kam eben zurecht, um Kathi und den jungen Mann an der nächsten Ecke in einen Fiaker steigen zu sehen und den jungen Mann dem Kutscher zurufen zu hören: »In' Prater, Hauptallee.«
    Die Verhandlung fand ein paar Wochen später statt. Der staatsanwaltschaftliche Funktionär feierte die Manneswürde und Pflichttreue des Wachmannes, der durch keine Art von persönlichen Beziehungen sich hatte abhalten lassen, der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen. Der Verteidiger brandmarkte den empörenden Versuch, eine Geliebte, deren man überdrüssig geworden war, sich auf amtlichem Wege vom Halse zu schaffen, und sprach die Hoffnung aus, daß sich ein derartiger Macchiavellismus unter den braven Sicherheitswachleuten der Hauptstadt nur vereinzelt vorfinden dürfte. Der staatsanwaltschaftliche Funktionär, unbeirrt, behauptete in seiner Replik, daß die Fundamente des Staates zu wanken begännen, wenn hier nicht ein Exempel statuiert würde. Und so geschah es auch, Kathi wurde zu fünfundzwanzig Gulden Geldstrafe verurteilt, der Mediziner Albert Meierling zu zehn Gulden; er erlegte die Summe für beide. Es war ein schöner Julitag; am selben Abend fuhren wieder beide in den Prater.
    Merkwürdig aber ist, daß von diesem Tage an der Bann, der bisher über Engelbert Friedmaier lastete, geschwunden ist. Die bösen Triebe rings um ihn sind erwacht; vorbei ist es in seiner Nähe mit Ordnung und Sittlichkeit, tagtäglich eskortiert er Übeltäter auf die Wachstube, und seine Kameraden sehen bewundernd zu ihm auf. Sie erkennen ihn kaum wieder. Er ist ein harter, grimmiger Mann geworden, und alle Schwüre unbescholtener Leute gelten als verruchte Lügen vor der dunklen Macht seines Diensteides, dem sich Kommissäre und Richter beugen.

Arthur Schnitzler
Die grüne Krawatte

Ein junger Herr namens Cleophas wohnte zurückgezogen in seinem Hause nah der Stadt. Eines Morgens wandelte ihn die Lust an, unter Menschen zu gehen. Da kleidete er sich wohlanständig an wie immer, tat eine neue grüne Krawatte um und begab sich in den Park. Die Leute grüßten ihn höflich, fanden, daß ihm die grüne Krawatte vorzüglich zu Gesicht stehe, und sprachen durch einige Tage mit viel Anerkennung von der grünen Krawatte des Herrn Cleophas. Einige versuchten, es ihm gleichzutun, und legten grüne Krawatten an wie er – freilich waren sie aus gemeinerem Stoff und

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