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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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ihn beleidigt hatte. Ein irres, aber bedeutendes Lächeln glitt über seine Züge, und mit einer ganz veränderten festen, lauten Stimme, wie sie nie jemand von ihm vernommen, sprach er, indem er dem Mädchen die Hand auf die Schulter legte: »Sie sind verhaftet im Namen des Gesetzes!«
    Kathi sah ihn groß an und wußte anfangs nicht, ob sie lachen oder sich ärgern sollte; aber sein Blick und der Klang seiner Rede waren so bestimmt, daß sie an seinem Ernst nicht zweifeln durfte;
    »Engelbert, bist du ...« – »Es gibt kein' Engelbert mehr ... ich bin der Herr Sicherheitswachmann!« – Einige Passanten waren stehengeblieben.
    »Engelbert«, sagte Kathi leise und sah ihn flehend an.
    »Fräulein folgen mir sofort aufs Kommissariat, dort wird man Ihnen lernen, Fräulein, daß ein Sicherheitswachmann kein Aff' ist!«
    Andere Spaziergänger blieben stehen. Einer hatte Engelberts Worte gehört und teilte sie den Umstehenden mit; das Staunen in der Runde war grenzenlos.
    »Keine Ansammlung!« sagte Engelbert, indem er sich hoheitsvoll an die Umstehenden wandte. »Ich ersuche, sich sofort zu zerstreuen. Bitte, mir zu folgen, mein Fräulein!«
    Kathi starrte ihn an ... sie wußte noch immer nicht, woran sie war.
    »Na wird's, Fräulein?« sagte Engelbert. »Vorwärts!«
    Mit einer Handbewegung, gegen die es keinen Widerspruch gab, befahl er ihr zu gehen. Die anderen Leute waren abseits getreten und betrachteten die Arretierung des hübschen Mädchens von fern mit ehrerbietiger Scheu.
    »Warum arretieren Sie diese Dame?« fragte plötzlich jemand hinter Engelbert. Engelbert sah sich, aufs höchste überrascht, um. Der diese Worte gesprochen, war natürlich der junge Herr im grauen Anzug.
    »Was?« fragte Engelbert in einem Ton, der berechtigte Zweifel an dem Verstande des Angeredeten verriet.
    »Warum Sie diese Dame arretieren?« wiederholte der junge Herr, indem er Engelbert unsäglich frech anschaute. In Kathis Antlitz drückte sich mindestens eine gewisse Dankbarkeit aus. Engelbert fühlte, daß er nicht auf halbem Wege stehenbleiben konnte.
    »Sie kommen auch mit!« rief er aus. »Ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes.« – »Ich komme sehr gern mit, lieber Herr Wachmann«, sagte der junge Herr lächelnd.
    »Ich bin nicht Ihr lieber Herr Wachmann! Vorwärts!«
    »Entschuldigen schon«, sagte der junge Herr, »das können Sie nicht entscheiden; ich finde, daß Sie ein lieber Herr Wachmann sind.«
    »Schweigen Sie, und folgen Sie mir! Ich bitte doch, sich zu zerstreuen«, wandte er sich an die Menge, die wieder nähergekommen war. »Hier ist ja kein Theater!«

    Er ging in der Mitte der Fahrstraße, rechts von ihm Kathi, links der junge Herr. – Ja, nun war es geschehen, nun mußte es vorbei sein mit dem Spott der Kameraden, mit dem Mißtrauen der Vorgesetzten, mit dem Höhn der Geliebten ... ja, auch damit! auch damit! Es war wohl auch mit allem anderen vorbei ... Aber das war gleichgültig, das ging ihn nichts an, das durfte ihn nichts angehen.
    Die zwei Verhafteten neben ihm hatten zu sprechen begonnen; er versuchte nicht darauf zu hören, aber es gelang ihm nicht. Der junge Mann sagte: »Fräulein, ich bedaure wirklich sehr, daß ihr Spaziergang eine so unliebsame Unterbrechung erfahren hat.«
    Kathi antwortete: »O bitte sehr, mir is' so leid, daß Sie wegen meiner, wegen einer ganz fremden Person ...«
    »Ich bitte, Fräulein, selbst wenn ich Ihretwegen viele Jahre schweren Kerker bekommen sollte, es wäre mir nur ein Vergnügen.«
    Engelbert mußte dies alles hören und schweigend in ihrer Mitte gehen. Ohne die Gefangenen anzusehen, fühlte er, daß die Blicke der beiden einander noch mehr sagten als ihre Worte; fühlte, wie sich zwischen den beiden, die ein gemeinsames Schicksal aneinanderschmiedete, immer stärkere Beziehungen knüpften, gegen die er machtlos war. Kathi ging so nah neben ihm, daß ihr Kleid ihn streifte. Sie nahten sich dem Kommissariat. Als er das wohlbekannte Haus von ferne sah, fuhr ihm ein verführerischer Gedanke durch den Sinn. Wenn er der ganzen Sache ein Ende machte? Wenn er die beiden frei ließe und Kathi um Verzeihung bäte ...?
    Aber er wies diese unwürdige Versuchung gleich wieder von sich, und festen Schrittes trat er mit den beiden Verhafteten über die Schwelle des Polizeigebäudes.
    Der Kommissär fragte, ohne aufzublicken: »Um was handelt es sich?«
    »Herr Kommissär«, sagte Engelbert, »um Wachebeleidigung und Einmischung in eine Amtshandlung.«
    Der Kommissär sah

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