Erzaehlungen
Betrogener, wenn eine Minute später ihre erwachenden Blicke dankbar in die seinen glänzten, der warme Hauch ihrer Lippen mit frischer Lust den seinen eintrank und so der ganze Aufwand seiner tödlichen Tücke zu nichts anderem vertan war, als neues schöneres Leben durch Elisens Pulse zu treiben. Und sie war seiner Liebe so sicher, daß sie bei Tag, wenn er sie auf Stunden sich selbst oder der Gesellschaft anderer überlassen hatte, um auf dem obersten Verdeck die fiebernde Stirn dem kühlenden Meerwind preiszugeben, ohne Mißtrauen zurückblieb und das ratlos irre Lächeln des Wiederkehrenden leuchtenden Auges wie einen zärtlichen Gruß erwiderte.
In Neapel, wo das Schiff zu eintägiger Rast anlegen sollte, um dann ohne weiteren Zwischenaufenthalt nach Hamburg abzugehen, hoffte Alfred, von Adelen einen Brief zu finden, um den er sie zuletzt aus Ceylon in glühenden Worten angefleht hatte. Das stürmische Wetter enthob ihn der Mühe, einen Vorwand dafür zu suchen, daß er sich ohne Elise in Gesellschaft anderer gleichgültiger Reisender durch einen der bereitliegenden Kähne ans Land setzen ließ. Er fuhr zur Post, trat zum Schalter, nannte seinen Namen und mußte sich mit leeren Händen zurückziehen. Wenn er sich auch damit zu beruhigen versuchte, daß Adelens Brief nicht rechtzeitig abgesandt oder verloren gegangen war, so ließ ihn doch das Gefühl von Vernichtung, das nach dieser Enttäuschung über ihn kam, erkennen, daß ein künftiges Leben ohne Adele für ihn nicht mehr zu denken war. Am Ende seiner Verstellungskräfte angelangt, dachte er zuerst daran, sofort nach seiner Rückkehr auf das Schiff Elisen schonungslos die Wahrheit mitzuteilen. Gleich aber kam die Überlegung, daß die Folgen eines solchen Geständnisses nicht abzusehen waren, daß es Elise nicht nur auf der Stelle tödlich treffen, daß es sie auch in Wahnsinn oder Selbstmord treiben, daß aber eine solche Begebenheit in ihren Ursachen kaum geheim bleiben und damit seinen Beziehungen zu Adele verhängnisvoll werden könnte. Das gleiche blieb zu befürchten, wenn er das Geständnis bis zum letzten Augenblick, bis zur Landung in Hamburg oder gar bis zur Ankunft in Wien aufschieben wollte. In so verzweifelten Gedanken und ihrer Hinterhältigkeit sich kaum mehr bewußt, wandelte Alfred zur Mittagszeit im brennenden Sonnenschein am Meeresstrand umher, als er sich plötzlich schwindeln und einer Ohnmacht nahe fühlte. Angsterfüllt sank er auf eine Bank und blieb sitzen, bis der Krampf sich löste und die Nebel vor seinen Augen schwanden. Dann aber atmete er wie erwachend auf. Er wußte mit einemmal, daß in dem unbegreiflichen Augenblick, da seine äußeren Sinne ihn zu verlassen gedroht hatten, ein Entschluß furchtbar und klar zu Ende gereift war, der längst in den Tiefen seiner Seele sich vorbereitet hatte. Seinen heißen, grausamen Wunsch, dessen Erfüllung er all die Tage her gleichsam aus feiger Verborgenheit zu fordern gesucht hatte, er mußte ihn nun ohne weiteren Aufschub mit eigenem Willen, mit eigenen Händen zur Tat machen. Und wie das Ergebnis langer innerer Überlegung stieg ein fertiger Plan aus seiner Brust hervor.
Er erhob sich und begab sich vorerst in ein Hotel, um dort mit dem trefflichsten Appetit sein Mittagsmahl einzunehmen. Dann suchte er nacheinander drei Ärzte auf, gab sich überall als einen von unerträglichen Schmerzen gepeinigten Kranken aus, der, seit Jahren an Morphium gewöhnt, mit seinem Vorrat zu Ende gekommen sei, nahm die erbetenen Rezepte in Empfang, ließ sie in verschiedenen Apotheken anfertigen und fand sich, als er bei sinkender Sonne wieder an Bord ging, im Besitze einer Dosis, die er für seine Zwecke mehr als genügend halten durfte. An der Abendtafel auf dem Schiff erzählte er im Tone höchsten Entzückens von einer Wanderung durch Pompeji, zu der er den verflossenen Tag ausgenützt hätte, und mit einer brennenden Lust am Lügen, als müßte er nun sein eigenes Wesen ins Teuflische steigern, verweilte er bei der Schilderung einer Viertelstunde, die er im Garten des Appius Claudius verbracht hatte, vor einer Statuette, die er natürlich in Wirklichkeit nie gesehen und von der er zufällig im Reisehandbuch gelesen. Elise saß an seiner Seite, ihr gegenüber der Baron, die Blicke der beiden begegneten sich, und Alfred vermochte die Vorstellung nicht abzuwehren, daß hier zwei Gespenster aus leeren Augenhöhlen einander anstarrten.
Später aber, wie an so manchem Abend vorher, wandelte er mit
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