Erzählungen
Gegentheil.
– So, meinst Du? sagte James Playfair, und sah ihn scharf an.
– Ja, das meine ich, antwortete der Matrose.
– Wer bist Du denn?
– Ein schlichter Seemann, ein starker Kerl und ein entschlossener Kumpan, dafür sage ich gut. Ein paar so kräftige Arme, wie ich sie Ihnen hier präsentire, sind an Bord gewiß nicht zu verachten.
– Es giebt noch mehr Schiffe als den Delphin, und andere Kapitäne wie James Playfair, warum kommst Du gerade hierher?
– Weil ich an Bord des Delphin und unter Kapitän James Playfair dienen will.
– Ich kann Dich nicht brauchen.
– Einen kräftigen Mann kann man immer brauchen, wenn ich meine Kräfte einmal mit drei oder vier von den Stärksten Ihrer Mannschaft messen soll …
– Du gehst ja drauf los! meinte James Playfair; wie heißt Du?
– Crockston, zu dienen.«
Der Kapitän trat einige Schritte zurück, um den Herkules, der sich ihm auf so »achtkantige« Weise vorstellte, besser zu mustern. Haltung, Wuchs und matrosenhaftes Ansehen straften seine Ansprüche auf Kraft nicht Lügen; man sah sofort, daß er ungewöhnlich stark und zu Allem entschlossen war.
»In welchen Meeren bist Du gefahren? fragte Playfair.
– So ziemlich überall.
– Und Du weißt, was der Delphin dort unten zu thun hat?
– Darum gerade will ich mit.
– Nun, Gott straf’ mich, wenn ich mir solchen Kerl entgehen lasse; frage nach dem Obersteuermann, Mr. Mathew, und laß Dich von ihm einschreiben.«
Nach diesen Worten erwartete James Playfair, daß sein Mann Kehrt machen und sich nach dem Vordertheil des Schiffes begeben würde, aber weit gefehlt, Crockston rührte sich nicht von der Stelle.
»Nun, hast Du mich verstanden? fragte der Kapitän.
– Ja wohl, Herr Kapitän, aber das ist noch nicht Alles; ich wollte Ihnen noch einen Vorschlag machen.
– Ach was! ärgere mich nicht, ich habe keine Zeit, mich länger mit Dir aufzuhalten, rief James ungeduldig.
– Ich werde Sie nicht weiter aufhalten, Herr Kapitän, ich wollte Ihnen nur sagen – ich habe einen Neffen.
– Da hat er einen netten Onkel, das muß wahr sein!
– Nun, nun! begütigte Crockston.
– Wirst Du bald zu Ende kommen? fragte der Skipper; er war nachgerade verdrießlich geworden.
– Ja, Herr Kapitän, die Sache verhält sich so: wenn man den Onkel nimmt, muß man den Neffen auch mitnehmen.
– So, wirklich?
– Ja, das macht man gewöhnlich so, Einer geht nicht ohne den Andern.
– Erkläre Dich deutlicher; wer und was ist Dein Neffe?
– Ja, sehen Sie, Herr Kapitän, es ist ein junger Mensch von fünfzehn Jahren, dem ich mein Handwerk beibringe. Er hat recht guten Willen und wird gewiß einmal einen tüchtigen Seemann abgeben.
– Potz Tausend, Meister Crockston, Du hältst wohl gar den Delphin für eine Schiffsjungenschule?
– Verachten Sie nicht die Schiffsjungen, Herr Kapitän, es hat einmal Einen gegeben, aus dem ist der Admiral Nelson geworden, und noch Einen, aus dem wurde der Admiral Franklin.
– Potz Blitz! Freund, Du könntest mir gefallen. Bringe Deinen Neffen her, aber wenn sein Onkel solch ein tüchtiger Kerl nicht ist, wie er vorgiebt, wird er’s mit mir zu thun bekommen. Mach Dich fort und sei in einer Stunde wieder hier.«
Crockston ließ sich das nicht zwei Mal sagen, er grüßte ziemlich linkisch und begab sich auf den Kai zurück. Eine Stunde später traf er mit seinem Neffen, einem Bürschchen von vierzehn bis fünfzehn Jahren, wieder ein. Der kleine Kerl sah sehr furchtsam und erstaunt aus und schien eine ziemlich zarte Constitution zu haben, von den körperlichen Eigenschaften seines Onkels hatte er jedenfalls nicht viel geerbt. Crockston mußte ihm sogar schon jetzt Muth einsprechen:
»Nur immer dreist und munter, raunte er ihm zu, als sie auf’s Verdeck stiegen, es ist immer noch Zeit zum Umkehren.
– Nein, nein! rief der Kleine, Gott bewahre uns davor!«
Noch an demselben Tage wurden der Matrose Crockston nebst seinem Lehrling John Stiggs in die Bemannungsliste des Delphin eingetragen.
Am folgenden Morgen um fünf Uhr waren die Feuer unter den Kesseln kräftig geschürt, das Verdeck bebte unter den Schwingungen des Kessels, und der Dampf entwich zischend durch die Ventile. Die Stunde der Abfahrt war gekommen.
Eine Menge Volks drängte sich trotz der frühen Tageszeit auf den Kais und auf Glasgow-Bridge, um zum letzten Mal den Steamer zu grüßen, und auch Vincent Playfair hatte sich eingefunden, um sich von Kapitän James zu verabschieden und ihn zu
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