Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
hingelagert, in Sicht; sie bildete eine scharf hervortretende Spitze.
    James Playfair steuerte mitten durch die Bojen, die das Seegatt bezeichnen, und ließ den Leuchtthurm von Charleston südsüdwestlich liegen; jetzt flatterte an der Gaffel seines Schiffes lustig die Flagge Englands.
    Nachdem der Delphin die Boje der Quarantaine auf Steuerbordsseite gelassen hatte, rückte er frei in der Bucht vor. Miß Halliburli stand auf dem Deck und schaute gedankenvoll auf die Stadt, in der ihr Vater gefangen gehalten wurde; ihre Augen schwammen in Thränen.
    Endlich wurde auf den Befehl des Kapitäns der Gang des Schiffes gemäßigt; der Delphin dampfte an den Batterien des Südens und Ostens vorüber, und bald warf er seinen Anker am Kai in dem »North-Commercial wharf«.
Fußnoten
    1 Auf diese Insel hat der berühmte amerikanische Romanschriftsteller Edgar Poe seine barocksten Scenen verlegt.
     
    2 Fünf Kilometer.
     
    3 Etwa 5.000,000 Franken (= 4.000,000 Reichsmark).
Siebentes Capitel.
Ein General der Südstaaten.
    Als der Delphin an den Kais von Charleston ankam, war er von einer großen Volksmenge mit stürmischem Hurrah begrüßt worden. Die Einwohner dieser von der Seeseite so strenge blokirten Stadt waren seit lange nicht mehr den Besuch europäischer Schiffe gewohnt und fragten sich erstaunt, was dieser große Steamer, der so stolz die Flagge Englands wehen ließ, in ihren Gewässern wolle. Als man aber den Zweck seiner Reise erfuhr, und weshalb er das Fahrwasser von Sullivan durchbrochen hatte, als sich das Gerücht verbreitete, daß seine Seitentheile eine ganze Ladung Kriegscontrebande enthielten, nahm das Beifallsrufen und Freudengeschrei kein Ende.
    James Playfair setzte sich, ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren, mit dem General Beauregard, dem Commandanten der Stadt, in Verbindung. Dieser empfing den jungen Kapitän des Delphin mit großer Zuvorkommenheit, denn er sah dem Ersatz an Uniformen und Kriegsmunition für seine Armee mit Freuden entgegen. Es wurde zwischen den beiden Herren abgemacht, daß die Ausladung des Schiffes unverzüglich vor sich gehen sollte, und zahlreiche Arme kamen hierbei den englischen Matrosen zu Hilfe.
    Bevor James Playfair noch sein Schiff verließ, hatte er von Miß Halliburli die dringendsten Weisungen in Betreff ihres Vaters erhalten; der junge Kapitän stellte sich ihr vollständig zu Gebote.
    »Sie können auf mich rechnen, Miß Jenny, hatte er zu dem jungen Mädchen gesagt, ich werde thun, was in meinen Kräften steht, um Ihren Vater zu retten; und ich hoffe, daß diese Angelegenheit keine übersteiglichen Schwierigkeiten bieten wird; ich werde noch heute mit dem General Beauregard zusammenkommen und von ihm zu erfahren suchen, in welcher Lage er sich befindet; ob er auf Ehrenwort frei umhergeht oder wie ein Gefangener gehalten wird; ein directes Verlangen aber gedenke ich in dieser Beziehung heute noch nicht an den Commandanten zu stellen.
    – Mein armer, lieber Vater, klagte Jenny; er hat keine Ahnung davon, wie nahe ich ihm bin. Ach, warum kann ich nicht in seine Arme eilen?
    – Noch ein wenig Geduld, Miß Jenny; bald werden Sie Ihren Vater umarmen. Verlassen Sie sich darauf, daß ich mit der größten Aufopferung, dabei aber auch als verständiger Mann mit Ueberlegung handeln werde.«
    Nachdem James Playfair die kaufmännischen Interessen seines Hauses wahrgenommen hatte, die Ladung des Delphin dem General überliefert und ein ungeheurer Vorrath von Baumwolle zu äußerst niedrigem Preise eingekauft war, brachte er das Gespräch auf die Ereignisse des Tages.
    »Sie glauben also auf den Triumph der Sklavenhalter? fragte er den General Beauregard.
    – Ich zweifle nicht einen Augenblick an unserm ganz definitiven Siege, und was speciell Charleston anbetrifft, so wird die Armee Lee’s wohl binnen Kurzem die Einschließung aufheben. Was läßt sich übrigens von den Abolitionisten erwarten? Wenn wirklich, was jedoch nie der Fall sein wird, die Handelsstädte Virginiens, der beiden Carolinas, Georgiens, Alabamas und Mississippi in ihre Gewalt fielen, was dann? sie würden Herren des Landes sein, ohne es doch besetzen zu können, und so würde ihr Sieg, wenn es nämlich zu einem solchen käme, sie nur in Verlegenheit bringen.
    – Und sind Sie Ihrer Soldaten ganz sicher? fragte der Kapitän; fürchten Sie nicht, daß Charleston einer Belagerung müde werden könnte, die die Stadt ruinirt?
    – Nein! wir haben keinen Verrath zu fürchten, übrigens würden die Verräther

Weitere Kostenlose Bücher