Erzählungen
Kapitän?«
James Playfair sah Crockston mit einem gewissen starren, unheilverkündenden Blick an, und dieser begriff sofort, daß er keine günstigen Nachrichten erhalten würde.
»Haben Sie mit Beauregard über ihn gesprochen? fragte er.
– Ja, antwortete zurückhaltend James Playfair.
– Und haben Sie ihn über Mr. Halliburli ausgeforscht?
– Er hat mir selber von ihm erzählt.
– Nun Herr Kapitän?
– Kann man Dir Alles anvertrauen, Crockston?
– Ja, Herr Kapitän, Alles!
– Nun, um mich kurz zu fassen, General Beauregard hat mir mitgetheilt, daß Dein Herr in spätestens acht Tagen erschossen werden soll.«
Ein Anderer wäre bei dieser Nachricht zornig aufgelodert oder hätte sich von seinem Schmerz hinreißen lassen, aber unser Amerikaner, der niemals unschlüssig war, lächelte nur verächtlich und sagte:
»Bah, was thut’s?
– Kerl, bist Du des Teufels? rief James Playfair. Ich sage Dir, daß Mr. Halliburli in acht Tagen erschossen werden soll, und Du antwortest mir: Was thuts?
– Freilich, Herr Kapitän; was thut’s, wenn er in sechs Tagen an Bord des Delphin ist, und wir in sieben Tagen auf hoher See schwimmen?
– O, jetzt verstehe ich Dich, sagte James Playfair und drückte Crockston die Hand. Ich sehe, Du bist ein entschlossener Mann; ich meinestheils würde mich, Onkel Vincent und der Ladung des Delphin zum Trotz, für Miß Jenny in die Luft sprengen lassen.
– Nicht von Nöthen, Herr Kapitän, das käme nur den Fischen zugute, erwiderte der Amerikaner. Die Hauptsache ist jetzt, Mr. Halliburli zu befreien.
– Das wird aber seine Schwierigkeiten haben!
– Wird so schlimm nicht sein! rief Crockston.
Es handelt sich darum, mit einem streng bewachten Gefangenen in Beziehung zu treten.
– Nun freilich!
– Und eine fast unmögliche Entführung in’s Werk zu setzen!
– Bah, meinte Crockston, ein Gefangener sinnt mehr darauf zu entfliehen, als sein Kerkermeister daran denkt, ihn zu bewachen, also müßte es eigentlich jedem Gefangenen gelingen, das Weite zu suchen, alle Chancen sind für ihn. Und auch Mr. Halliburli wird mit unserer Hilfe entkommen.
– Ich hoffe, Du behältst Recht, Crockston.
– Wie immer, Herr Kapitän.
– Aber wie werden wir die Sache einfädeln? wir müssen einen Plan machen und allerlei Vorkehrungen treffen.
– Ich werde nachdenken, Herr Kapitän.
– Aber wenn Miß Jenny erfährt, daß ihr Vater zum Tode verurtheilt ist, und daß der Befehl zu seiner Hinrichtung jeden Tag eintreffen kann …
– Sie muß es eben nicht erfahren.
– Ja, wir wollen es ihr verbergen, es ist so besser für sie und für uns.
– Wo ist Miß Halliburli eingekerkert? fragte Crockston.
– In der Citadelle.
– Vortrefflich! Aber jetzt kommen Sie mit an Bord, Herr Kapitän!«
Achtes Capitel.
Die Flucht.
Miß Jenny saß auf dem Deckzimmer des Delphin und erwartete ungeduldig die Rückkehr von James Playfair, und doch konnte sie, als er ihr endlich gegenüberstand, kein Wort hervorbringen, und nur ihre Blicke sprachen die Frage aus, die ihr Mund verschwieg.
James Playfair theilte nun, von Crockston unterstützt, dem jungen Mädchen mit, was er über die Einkerkerung ihres Vaters erfahren hatte. Er sagte ihr, daß er Beauregard vorsichtig über die Kriegsgefangenen ausgeforscht, aber bald gemerkt habe, daß der General ihnen nicht günstig gestimmt sei.
»So hielt ich es für angemessen, fuhr er fort, mit meinen Wünschen zurückzuhalten und mich von den Umständen leiten zu lassen. Da Mr. Halliburli nicht frei in der Stadt umhergehen darf, wird seine Flucht allerdings größere Schwierigkeiten bieten, aber ich hoffe doch mit Bestimmtheit, mein Ziel zu erreichen. Ja, ich schwöre Ihnen, Miß Jenny, daß der Delphin die Rhede von Charleston nicht verlassen soll, ohne daß Ihr Vater mit an Bord ist.
– Danke, Herr James, sagte Jenny, meinen wärmsten, innigsten Dank!«
James Playfair fühlte, wie ihm des Herz bei diesen Worten stürmisch klopfte. Er näherte sich feuchten Blickes dem jungen Mädchen und hätte vielleicht, von der Macht des Augenblicks überwältigt, seine Gefühle für Jenny verrathen; aber Crockston sprang gleichsam dazwischen und rief:
Der Schwur James Playfair. (S. 215.)
»Nichts für ungut, Herr Kapitän, aber für Rührung haben wir jetzt keine Zeit; es ist noch Viel zu verabreden und zu beschließen.
– Hast Du einen Plan gefaßt, Crockston? fragte die junge Dame.
– Natürlich! ich habe immer Pläne, das ist meine
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