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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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zahlreiche Versammlung, zu Tode entsetzt, zur Seite wich und sich in allen Gemächern bis an die Wand zurückdrängte, ging er unangefochten seines Weges, mit den nämlichen, feierlichen und gemessenen Schritten wie zu Beginn. Und er schritt von dem blauen Zimmer in das purpurrote – von dem purpurroten in das grüne – von dem grünen in das orangefarbene – und aus diesem in das weiße – und weiter noch in das violette Zimmer, ehe eine entscheidende Bewegung gemacht wurde, um ihn aufzuhalten. Dann aber war es Prinz Prospero, der rasend vor Zorn und Scham über seine eigene, unbegreifliche Feigheit die sechs Zimmer durcheilte – er allein, denn von den andern vermochte vor tödlichem Schrecken kein einziger ihm zu folgen. Den Dolch in der erhobenen Hand, war er in wildem Ungestüm der weiterschreitenden Gestalt bis auf drei oder vier Schritte nahe gekommen, als sie, die jetzt das Ende des Sammetgemaches erreicht hatte, sich plötzlich zurückwandte und dem Verfolger gegenüberstand. Man hörte einen durchdringenden Schrei, der Dolch fiel blitzend auf den schwarzen Teppich, und im nächsten Augenblick sank auch Prinz Prospero im Todeskampf zu Boden.
    Nun stürzten mit dem Mute der Verzweiflung einige der Gäste in das schwarze Gemach und ergriffen den Vermummten, dessen hohe Gestalt aufrecht und regungslos im Schatten der schwarzen Uhr stand. Doch unbeschreiblich war das Grauen, das sie befiel, als sie in den Leichentüchern und hinter der Leichenmaske, die sie mit rauem Griffe packten, nichts Greifbares fanden – sie war leer …
    Und nun erkannte man die Gegenwart des Roten Todes. Er war gekommen wie ein Dieb in der Nacht. Und einer nach dem andern sanken die Festgenossen in den blutbetauten Hallen ihrer Lust zu Boden und starben – ein jeder in der verzerrten Lage, in der er verzweifelnd niedergefallen war. Und das Leben in der Ebenholzuhr erlosch mit dem Leben des letzten der Fröhlichen. Und die Gluten in den Kupferpfannen verglommen. Und unbeschränkt herrschte über alles mit Finsternis und Verwesung der Rote Tod .

DAS GEHEIMNIS DER MARIE ROGÊT
    The Mystery of Marie Rogêt  - A Sequel to th e Murders in the Rue Morgue ()

    Es gibt eine Reihe idealischer Begebenheiten, die der Wirklichkeit parallel laufen. Selten fallen sie zusammen. Menschen und Zufälle modifizieren gewöhnlich die idealische Begebenheit, so daß sie unvollkommen erscheint und ihre Folgen gleichfalls unvollkommen sind. So bei der Reformation; statt des Protestantismus kam das Luthertum hervor. (Novalis)

    Selbst unter den ruhigsten Denkern finden sich hin und wieder Menschen, die gelegentlich von einem unbestimmten, quälenden Halbglauben an das Übernatürliche ergriffen worden sind – angesichts jener auffällig gleichzeitigen Zufälle, die oft so wunderbar erscheinen, daß der Verstand sie nicht mehr für bloße Zufälle halten kann.
    Solche Gefühle – der Halbglaube, von dem ich rede, hat nie die Kraft wirklicher Gedanken –, solche Gefühle also können nur sehr schwer unterdrückt werden, wenn man nicht die Lehre vom Zufall oder, was dasselbe ist, von der Wahrscheinlichkeitsberechnung zu Hilfe nimmt. Diese Berechnung ist jedoch ihrem Wesen nach eine rein mathematische, und wir haben hier die Anomalie, daß die allerexakteste Wissenschaft zur Erklärung dessen dienen soll, was auf dem Gebiete der Spekulation noch ungreifbarer Schatten ist.
    Die merkwürdigen Einzelheiten, die man mich zu veröffentlichen aufgefordert hat, bilden zeitlich, wie man sehen wird, den primären Zweig einer Reihe kaum verständlicher Zufälle, deren sekundären oder Endzweig man in dem Mord an einer gewissen Mary Cecilia Rogers, der jüngst in New York geschah, finden wird.
    Das Geheimnis, in das besagtes Verbrechen gehüllt war, hatte zur Zeit der Entstehung (und Veröffentlichung) der nun folgenden Erzählung seine Aufdeckung noch nicht gefunden. Und da jetzt mehrere Jahre seit der Begebenheit, auf der diese Erzählung beruht, verflossen sind, dürfte es nötig sein, einige erklärende Worte vorauszuschicken, daran zu erinnern, daß der Verfasser, indem er angeblich von dem tragischen Ende einer jungen Pariserin, Marie Rogêt, berichtet, in Wirklichkeit den Tatsachen des Mordes an der Marie Cecilia Rogers folgt. Alle Einzelheiten, die in der Erzählung erwähnt, alle Folgerungen und Schlüsse, die gezogen werden, treffen infolgedessen auf diesen zu. Die Erzählung Das Geheimnis der Marie Rogêt wurde fern von dem Schauplatz

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