Erzählungen
Lächeln fort, »er wird mir wieder zu den Besitzungen meiner Familie verhelfen. Ist es also zu verwundern, daß ich ihn so hochschätze? Ich brauche ihn bloß richtig anzuwenden, um all das Gold, das er andeutet, zu bekommen. Jupiter, geh und hole den Käfer.«
»Was? Den Käfer, Massa? Will nix haben zu tun mit dem Käfer, Massa müssen ihn holen selbst.«
Darauf stand Legrand ernst und würdevoll auf und brachte den Käfer, den er in einem Glasbehälter eingeschlossen gehalten hatte.
Es war ein wundervolles Insekt, zu jener Zeit in der Naturgeschichte noch unbekannt und deshalb vom wissenschaftlichen Standpunkt aus von hohem Wert. An dem einen Ende des Rückens befanden sich zwei runde Flecken, am entgegengesetzten ein länglicher. Die Flügeldecken waren ungemein hart und glänzend und glichen brüniertem Golde. Das Insekt hatte ein ganz beträchtliches Gewicht, und als ich alle diese Umstände erwog, mußte ich mir sagen, daß Jupiters Ansicht nur zu erklärlich sei; wie jedoch Legrand dazu kam, diese zu teilen, war mir absolut unverständlich.
»Ich habe zu Ihnen geschickt«, fuhr er, als ich den Käfer genug betrachtet hatte, in stolzer Beredsamkeit fort, »um Sie um Ihren Rat und Beistand zu bitten, wenn ich dem Wink des Schicksals und des Käfers folge …«
»Mein lieber Legrand«, unterbrach ich ihn rasch, »Sie fühlen sich gewiß unwohl und täten besser daran, sich ein wenig zu schonen. Legen Sie sich zu Bett; ich werde ein paar Tage bei Ihnen bleiben, bis Sie wieder hergestellt sind. Sie fiebern ja und …«
»Fühlen Sie mir doch nur einmal den Puls«, sagte er.
Ich tat es und fand wirklich keine Spur von Fieber.
»Aber Sie können auch ohne Fieber krank sein. Erlauben Sie mir doch, Ihnen etwas zu verschreiben. Fürs erste legen Sie sich zu Bett. Dann wollen wir …«
»Sie irren sich«, fiel er mir ins Wort. »Ich befinde mich so wohl, wie es bei der Aufregung, unter der ich leide, nur möglich ist. Wenn Sie mir wirklich wohlwollen, so befreien Sie mich von der Aufregung.«
»Und wodurch könnte ich es?«
»Durch eine Kleinigkeit. Jupiter und ich wollen einen Ausflug in die Berge auf dem Festland unternehmen und bedürfen dabei der Hilfe einer Person, der wir vertrauen können. Sie sind der einzige, zu dem ich Zutrauen habe. Und ob unsere Bemühungen erfolgreich sein werden oder nicht, jedenfalls würde sich die Aufregung, die Sie jetzt an mir bemerken, legen.«
»Es soll mir eine Freude sein, Ihnen jeden Gefallen zu erweisen«, erwiderte ich, »aber wollten Sie vielleicht sagen, daß jener unglückselige Käfer mit dem Ausflug in die Berge in irgendeiner Verbindung steht?«
»Allerdings!«
»Dann muß ich Ihnen leider erklären, Legrand, daß ich mit einer solch absurden Geschichte nichts zu tun haben will!«
»Das tut mir leid – sehr leid, denn so müssen wir die Sache allein ausführen.«
›Allein ausführen!‹ dachte ich, ›der Mann ist ganz von Sinnen.‹
»Wie lange wird wohl Ihre Abwesenheit dauern?« fragte ich dann.
»Wahrscheinlich die ganze Nacht. Wir werden sogleich aufbrechen und unter allen Umständen bei Sonnenaufgang wieder zurücksein.«
»Und wollen Sie mir auf Ihr Ehrenwort versprechen, daß Sie, wenn Sie diese Grille befriedigt und die ganze Käferaffäre erledigt haben, nach Hause zurückkehren und meinem Rat als dem eines Arztes unbedingt Folge leisten werden?«
»Ja, ich verspreche es; aber nun wollen wir aufbrechen und keine Minute Zeit verlieren.«
Mit schwerem Herzen entschloß ich mich, meinen Freund zu begleiten. Es mochte gegen vier Uhr sein, als wir uns auf den Weg machten, Legrand, Jupiter, der Hund und ich. Jupiter führte die Sense und die beiden Spaten mit und bestand darauf, alles allein zu tragen, allerdings, wie mir schien, mehr aus Furcht, sein Herr könne mit den Werkzeugen irgendein Unheil anrichten als aus einem Übermaß von Fleiß und Gefälligkeit. Er sah im höchsten Grade bissig aus, und auf dem ganzen Weg kam kein anderes Wort über seine Lippen als hin und wieder der Fluch: »Der verdammter Käfer!« Ich selbst trug ein paar Blendlaternen, während sich Legrand nur mit dem Käfer beschäftigte, den er an das Ende einer Peitschenschnur gebunden hatte und mit der Miene eines Beschwörers hin und her drehte. Als ich diesen letzten klaren Beweis von der Geistesverwirrung meines Freundes erhielt, konnte ich mich der Tränen fast nicht mehr erwehren. Ich hielt es jedoch für das beste, einstweilen auf seine Ideen einzugehen, bis
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