Erzählungen
krank geworden?«
»Ich gar nix glauben – ich es wissen. Warum träumen er soviel von Gold, wenn ihn nicht gebissen der Goldkäfer? Ich schon oft gehört von Goldkäfer!«
»Wie weißt du denn, daß er von Gold träumt?«
»Wie ich es wissen? Er immer sprechen davon in sein Schlaf. So ich es wissen.«
»Nun, Jup, vielleicht hast du recht, aber welch glücklichem Umstand verdanke ich die Ehre deines Besuches?«
»Was Massa meinen?«
»Hast du mir von Herrn Legrand irgend etwas auszurichten?«
»Nein, Massa, ich bringen bloß diesen Brief.«
Hier überreichte mir Jupiter ein Billett folgenden Inhaltes:
›Mein Lieber!
Wie kommt es, daß wir uns so lange nicht mehr gesehen haben? Hoffentlich haben Sie mir mein zerstreutes Wesen bei unserem letzten Zusammensein nicht übel genommen. Ich glaube es wenigstens nicht.
Seit Ihrem letzten Hiersein hatte ich oftmals Grund, unruhig zu sein.
Ich habe Ihnen etwas zu sagen und weiß doch kaum wie, ja, ob ich es überhaupt sagen soll.
Ich befinde mich schon seit ein paar Tagen nicht ganz wohl, und der arme alte Jupiter plagt mich ganz unerträglich mit seiner wohlgemeinten Beaufsichtigung. Würden Sie es für möglich halten – er hatte sich neulich einen dicken Stock geschnitten, mit dem er mich züchtigen wollte, weil ich ohne ihn den ganzen Tag allein auf dem Festland in den Bergen umhergestreift war. Ich glaube, nur meinem jämmerlichen Aussehen habe ich es zu verdanken, daß ich ohne Prügel davonkam. Meine Sammlung hat sich seit unserem letzten Beisammensein nicht vergrößert.
Wenn es Ihnen irgendwie möglich ist, so kommen Sie mit Jupiter herüber. Bitte, kommen Sie doch! Ich möchte Sie noch heute abend in einer wichtigen Angelegenheit sprechen. Ich versichere Ihnen, daß das, was ich Ihnen mitteilen will, von außerordentlicher Wichtigkeit ist.
Ganz der Ihrige
William Legrand ‹
In dem Ton dieses Briefes lag etwas, das mich unruhig machte. Ich erkannte Legrands gewohnten Stil absolut nicht wieder. Worüber mochte er nur wieder nachgrübeln? Welche neue Grille spukte in seinem leicht erregbaren Hirn? Was konnte das für eine ›außerordentlich wichtige‹ Angelegenheit sein, die er mit mir besprechen wollte?
Jupiters Bericht ließ auf nichts Gutes schließen. Ich fürchtete schon, das andauernde Mißgeschick hätte meinen Freund um den letzten Rest seines Verstandes gebracht. Ohne einen Augenblick zu zögern, machte ich mich bereit, dem Neger zu folgen.
Als wir das Ufer erreichten, bemerkte ich auf dem Boden des Kahnes, den wir besteigen mußten, eine Sense und drei Spaten, alles dem Anschein nach ganz neu.
»Was soll das, Jup?« fragte ich.
»Die Sense, Massa, und die Spaten?«
»Ja, was tun die hier?«
»Die Sense und die Spaten ich haben gekauft in der Stadt für Massa Will und haben geben müssen dafür verteufelt viel Geld.«
»Aber so sag mir doch im Namen alles Geheimnisvollen, was denn dein Massa Will mit den Spaten und der Sense vorhat?«
»Das sein mehr, als ich weiß, und der Teufel soll mich holen, wenn Massa Will es selbst wissen. Aber alles gekommen von dem Käfer.«
Da ich sah, daß aus dem Alten nichts herauszubringen war, weil all seine Gedanken um den Käfer zu kreisen schienen, stieg ich ins Boot und zog das Segel auf. Mit günstigem starken Wind liefen wir bald in die kleine Bucht nördlich vom Fort Moultrie ein und erreichten von dort zu Fuß nach zwei Meilen die Hütte. Es war ungefähr drei Uhr nachmittags, als wir ankamen. Legrand hatte uns mit verzehrender Ungeduld erwartet. Er ergriff meine Hand mit einem nervösen Eifer, der mich beunruhigte und meine Meinung über seinen Gesundheitszustand nur bestärkte. Eine geisterhafte Blässe lag über seinen Zügen, und seine tiefliegenden Augen sprühten in unnatürlichem Glanz.
Nachdem ich mich nach seinem Befinden erkundigt hatte, fragte ich, da mir nichts Besseres einfiel, ob er den Käfer schon von Leutnant G. zurückerhalten habe.
»O ja«, antwortete er, und ein heftiges Rot stieg in sein Gesicht.
»ich bekam ihn am folgenden Morgen zurück. Von diesem Käfer würde ich mich niemals wieder trennen. Wissen Sie auch, daß Jupiter mit seiner Ansicht vollkommen recht hatte?«
»Mit welcher Ansicht?« fragte ich, von traurigen Ahnungen erfüllt.
»Daß der Käfer von wirklichem Gold sei«, entgegnete er mir mit solch tiefem, ernstem Ton, daß mir unaussprechlich bange dabei wurde. »Dieser Käfer wird mich zum reichen Mann machen«, fuhr er mit triumphierendem
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