Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
Pferde, Waffen und Kriegsvorräthe an die Küste gebracht waren, worauf er Befehl gab, die Schiffe in Brand zu stecken. Die Moslemen bebten vor Schrecken, als sie sahen, wie ihre Schiffe sich in Rauch und Flammen hüllten und in die Tiefe des Meeres versanken.
»Wie werden wir entrinnen,« riefen sie, »wenn das Kriegsglück uns nicht begünstigt?«
»Für den Feigen gibt es kein Mittel zu entrinnen!« sagte Tarek, »und der Tapfere denkt nicht daran; euch bleibt nichts übrig, als zu siegen.«
»Aber wie werden wir ohne Schiffe jemals in unsere Heimath zurückkehren können?«
»Eure Heimath,« sagte Tarek, »liegt vor euch; aber ihr müßt sie euch mit euern Schwertern erkämpfen.« –
Wahrend Tarek noch mit seinen Begleitern redete, entdeckte man, erzählt einer der alten Chronikenschreiber, in der Ferne ein christliches Weib, das ein weißes Fähnchen an einem Rohre zum Zeichen des Friedens schwenkte.
»Señor,« sagte sie, »ich bin ein altes Weib, und es sind nun volle sechszig Jahre dahin gegangen, seit ich, als ich in einer Winternacht am Heerde wachte, meinen Vater, einen ungewöhnlich alten Mann, eine Prophezeihung lesen hörte, welche von einem frommen Mönche geschrieben sein sollte, und Folgendes war der Inhalt der Prophezeihung: es würde eine Zeit kommen, wo unser Land von einem Volk aus Afrika von fremder Tracht und fremder Zunge und einem fremden Glauben überfallen und erobert werden würde. Die Schaaren sollten von einem starken und tapfern Häuptlinge geführt werden, welchen man an diesen Zeichen erkennen würde: auf seiner Schulter sollte sein ein haariges Maal, und sein rechter Arm sollte viel länger sein, als der linke, und zwar von einer solchen Länge, daß er sein Knie mit seiner Hand bedecken könne, ohne sich zu bücken.«
Tarek hörte der Alten mit großer Aufmerksamkeit zu, und als sie geendigt hatte, entblößte er seine Schulter und sieh, da war das Maal, grade wie sie es beschrieben hatte; auch fand man, daß sein rechter Arm in der That den linken an Länge übertraf, jedoch nicht in dem Grade, wie es in der Prophezeihung gesagt worden. Darauf erhoben die Araber ein lautes, stürmisches Jubelgeschrei und fühlten sich ihres Sieges vergewissert. [Fußnote:
Perdida de Espana, por Abulcasim Tarif abentarique. Lib. I. cap. VII.
– Der Verf. ]
Obgleich der vorsichtige Antonio Agapida diesen Umstand erwähnt, wie er in den alten Chroniken erzählt wird, schenkt er der angeblichen Prophezeihung doch keinen Glauben, sondern betrachtet das Ganze als eine von Tarek ausgedachte List, durch welche er den Muth seiner Truppen steigern wollte.
»Ohne Zweifel,« sagte er, »fand eine Verabredung zwischen der alten Sybille und dem verschlagenen Sohn Ismaels statt; denn diese ungläubigen Häuptlinge waren voller verdammlichen Erfindungen, um auf die abergläubische Phantasie ihrer Begleiter zu wirken und sie mit einem blinden Vertrauen in den Erfolg ihrer Waffen zu begeistern.«
Dem sei nun, wie ihm wolle, der alte Tarek benützte die Aufregung seiner Kriegerschaaren und führte sie weiter, um von einem festen Punkte Besitz zu nehmen, welcher gewissermaßen der Schlüssel zu der umliegenden Gegend war. Dies war ein hoher, in die See vorspringender und von derselben fast ganz umgebener Berg; die Landzunge, welche ihn mit dem festen Lande verband, war nur schmal. Er wurde der Fels von Calpe genannt und beherrschte den Eingang in das mittelländische Meer, gleich dem gegenüber liegenden Ceuta. Hier hatte in der alten Zeit Herkules einen seiner Pfeiler aufgerichtet, und die Stadt Heraklea war hier erbaut worden.
Als sich Tarek diesem Vorgebirge näherte, stellte sich ihm eine Schaar Christen entgegen, die in der Eile die Waffen ergriffen und sich unter den Fahnen eines gothischen Edeln von großer Macht und Bedeutsamkeit, dessen Besitzungen die gebirgigen Küsten des mittelländischen Meeres entlang lagen, gesammelt hatten. Der Name dieses christlichen Ritters war Theodomir, von den arabischen Geschichtschreibern wird er aber allgemein Tadmir genannt; er ist berühmt als der erste Kriegsführer, welcher sich dem Einfalle der Moslemen zu widersetzen versuchte. Er mogte ungefähr vierzig Jahre alt sein; er war kühn, rasch und verschlagen; und wenn alle gothischen Edeln sich eben so wachsam, thätig und klug in ihrer Vertheidigung benommen hätten, so würde die Fahne des Islams nimmermehr über das Land triumphirt haben.
Theodomir, oder richtiger Theudemir, hatte nur siebenzehnhundert
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