Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
Worte regten, da die Gefühle einer Mutter sie begeisterten, die versammelten Ritter bis zur Wuth auf.
Der Graf benutzte die Erregung des Augenblicks zur Enthüllung seines Planes. Die Hauptabsicht ging dahin, Don Roderich zu entthronen und die Krone den Söhnen des verstorbenen Königs Witiza zu geben. Dadurch würden sie die Sünden des Tyrannen an seinem Haupte rächen und zu gleicher Zeit die königliche Ehre ihrem Stamme zurückgeben. Ihre eigenen Kräfte würden zu diesem Zwecke hinreichen; sie könnten sich aber auch die Beihülfe des arabischen Häuptlings in Mauritanien, Musa Ben Nosair’s, verschaffen, welcher ohne Zweifel freudig einen Theil seiner Truppen nach Spanien schicken würde, um das Unternehmen zu unterstützen.
Der auf diese Weise von dem Grafen Julian hingestellte Plan erhielt die gottlose Genehmigkeit des Bischofs Oppas, der sich anheischig machte, ihm heimlich durch seinen ganzen Einfluß und alle seine Mittel Vorschub zu leisten; denn er hatte einen großen Reichthum an Schätzen und Besitzthum und viele Anhänger. Das Beispiel des hochgeehrten Prälaten bestimmte Alle, die ohne dieses noch gezaudert haben mögten, und sie machten sich durch furchtbare Eide verbindlich, der Verschwörung treu zu bleiben.
Graf Julian nahm es über sich, nach Afrika zu gehen und Musa’s Lager aufzusuchen, um dessen Hülfe zu ermitteln, während der Bischof in der nächsten Umgebung des Königs bleiben und ihn in das ihm gestellte Netz locken sollte.
Nachdem Alles auf diese Weise geordnet und verabredet war, sammelte Graf Julian seine Schätze, nahm seine Gemahlin und Tochter mit sich, verließ das Land, das er zu verrathen gedachte, und schiffte sich zu Malaga nach Ceuta ein.
Das Thor in der Mauer dieser Stadt, durch welches sie zogen, trug Jahrhunderte hindurch den Namen
»Porta della Cava,«
oder»das Thor der Hure;« denn diesen schmachvollen und unverdienten Namen gaben die Mauren der unglücklichen Florinda [Fußnote:
Bleda , Chron, cap. IV.
– Der Verf. ] .
Neuntes Kapitel.
Geheimer Besuch des Grafen Julian im Lager der Araber. – Erster Zug des Tarek el Tuerto.
Als Graf Julian seine Familie zu Ceuta, wo eine ihm ergebene Kriegerschaar zur Besatzung diente, in Sicherheit gebracht hatte, nahm er eine kleine Anzahl von Getreuen, auf die er sich unbedingt verlassen konnte, und begab sich heimlich in das Lager des arabischen Emirs, Musa Ben Nosair’s. Das Lager breitete sich in einem jener idyllischen Thäler aus, welche sich an dem Fuße der mauritanischen Höhen hinziehen, über denen die große Kette des Atlas in der Ferne riesenhaft aufsteigt. In dem bunten Heere, welches hier versammelt war, erblickte man Krieger eines jeden Stammes und jeder Nation, die sich durch Bündnisse oder in Folge der Eroberung der Sache des Islam angeschlossen hatten. Man sah hier die, welche Musa aus den fruchtbaren Gegenden Aegyptens durch die Wüsten von Barca gefolgt waren, und die, welche, zu den sonnegebräunten Stämmen Mauritaniens gehörend, sich seiner Fahne angeschlossen hatten. Man sah hier Sarazenen und Tartaren, Syrier und Kopten und schwarze Mauren, reichgekleidete Krieger aus den civilisirten Städten des Morgenlandes und die ärmlichen, räuberischen Söhne der Wüste. Der größere Theil des Heeres bestand jedoch aus Arabern; sie unterschieden sich aber bedeutend von den ersten rohen Horden, welche sich der Fahne Mahomet’s zugesellten. Fast ein hundertjähriger fortwährender Kampf mit den kultivirten Nationen des Orients hatte sie zu vollendeten Kriegern umgeschaffen; und ihr gelegentlicher Aufenthalt in den üppigen Ländern und volkreichen Städten hatte sie mit den Sitten und Künsten des civilisirten Lebens bekannt gemacht. Dennoch waren die umschweifenden, rastlosen und räuberischen Sitten der echten Söhne Ismaels, jedem Wechsel von Klima, jedem Wechsel der Lage zum Trotze, noch vorherrschend.
Graf Julian fand den arabischen Eroberer Musa einigermaßen von orientalischer Pracht und Herrlichkeit umgeben. Er war in vorgerücktem Alter, aber eine edle Erscheinung; seine Jahre verbarg er dadurch, daß er sein Haupt-und Barthaar mit Henna färbte.
Als der Graf vor ihn trat, nahm er die Miene kriegerischer Offenheit und Entschlossenheit an.
»Bisher,« sagte er, »sind wir stets Feinde gewesen; ich komme aber in friedlicher Absicht zu dir, und es hängt nur von dir ab, mich zu dem ergebensten deiner Freunde zu machen. Ich habe fortan weder Vaterland noch König. Roderich der Gothe ist ein
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