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Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)

Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)

Titel: Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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und alle seine Verbrechen und all das Unglück, das ihm in dem Zauberthurme geweissagt worden war, vorüber. Sein Geist war mit Schrecken und Besorgniß erfüllt; denn die Stunde seines Verderbens schien zur Hand zu sein. Aber sein starker und stolzer Sinn wußte dieser Erregung Herr zu werden, und als er sein Antlitz wieder enthüllte, war Niemand im Stande, die Unruhe und Verwirrung seines Herzens auf seinen Zügen zu lesen. Von nun an brachte jede Stunde neue Unglücksnachrichten. Boten auf Boten sprengten in die Stadt und erfüllten sie mit banger Besorgniß. Die Ungläubigen, sagten sie aus, befestigten sich in dem Lande; Truppensendungen kämen fast täglich aus Afrika herüber; die Seeküste von Andalusien erglänzte von Säbeln und Lanzen. Die Ebenen von Sidonien bis zu den Ufern der Guadiana heran wimmelten von Schaaren beturbanter Reiter. Die Gefilde würden verwüstet, Städte und Flecken geplündert, die Bewohner gefangen weggeführt, und das ganze Land läge in Rauch und Trümmern.
    Roderich hörte alle diese Nachrichten mit unverzagtem Antlitz, niemals gab er ein Zeichen der Bestürzung; aber in seinen kriegerischen Zurüstungen zeigte sich die Besorgniß seiner Seele deutlich. Er erließ Befehle: jeder Edle und jeder Prälat des Königreichs sollte sich an die Spitze seiner Vasallen stellen und in das Feld ziehen; jeder waffenfähige Mann sollte zu seiner Fahne eilen und die Pferde, Maulthiere und Waffen mit sich bringen, die in seinem Besitze wären; die Ebene von Cordova wurde als der Platz bezeichnet, wo das Heer sich zu versammeln hatte. Der König warf sofort das ganze Gepränge seines erschlafften und üppigen Lebens von sich und rüstete sich zu kriegerischer Thätigkeit; an der Spitze seiner Wachen, welche aus der Blüthe des jungen Adels bestand, verließ er Toledo. Seine Gemahlin Exilona begleitete ihn; denn sie hatte um Erlaubniß gebeten, in einer andalusischen Stadt bleiben zu dürfen, um in der Zeit der Gefahr ihrem Gebieter nahe zu sein.
    Einer der ersten, welche sich zeigten, um den König zu Cordova zu bewillkommen, war der Bischof Oppas, der geheime Verbündete des Grafen Julian. Er brachte seine zwei Neffen, Evan und Siseburt, die Söhne des vorigen Königs, Witiza’s, und eine große Schaar von Vasallen und Dienstleuten mit sich, alle gut bewaffnet und ausgerüstet; denn sie waren von dem Grafen Julian mit einem Theile der Waffen versehen worden, welche der König nach Afrika gesendet hatte. Der Bischof war gleisnerischer Zunge und ein ausgelernter Heuchler. Er stellte sich eifrig und ergeben, und der Schauder, mit welchem er von der Verrätherei seines Verwandten sprach, täuschte den leichtgläubigen Geist des Königs, und er wurde sofort zu seinen geheimsten Berathungen zugezogen.
    Die Nachricht von dem Einfalle der Ungläubigen hatte sich in dem ganzen Königreiche verbreitet und die gothische Tapferkeit seiner Bewohner belebt. Nach dem Empfange der Befehle Roderich’s hatte jede Stadt und jedes Dorf, jeder Berg und jedes Thal seine wehrbaren Männer abgesendet, und das ganze Land war auf dem Wege nach Andalusien. Nach einer kurzen Frist sammelten sich auf der Ebene von Cordova beinahe fünfzig tausend Reiter und ein zahlloses Heer von Fußvolk. Die gothischen Edeln erschienen in polirten, schön gearbeiteten und verzierten Rüstungen, mit Ketten und anderm Schmuck von Gold und Edelsteinen, und seidenen Schärpen und Waffenröcken von Brocat oder reich gesticktem Sammt, den Luxus und den Prunk auf diese Weise verrathend, welchem sie, statt der eisernen Kraft ihrer kriegerischen Vorfahren, anheim gefallen waren. Das Volk angehend, so hatte dieses theilweise Lanzen, Schilder, Schwerter und Armbruste; die Mehrzahl jedoch war unbewaffnet oder blos mit Schleudern und Keulen, die mit Nägeln beschlagen waren, und dem Eisengeräthe des Ackerbaues versehen, und viele hatten sich aus den Thüren und Fensterläden ihrer Häuser rohe Schilder gefertigt. Sie bildeten ein ungeheures Heer und erschienen, nach dem Ausdrucke arabischer Chronikenschreiber, wie eine bewegte See; aber, obschon kühnen Geistes, hatten sie doch keine Kenntnisse von der Kriegskunst und waren, da es ihnen an Waffen und Kriegszucht fehlte, eine unwirksame Masse.
    Viele der ältesten und erfahrensten Ritter, welche der Zustand des Heeres nicht entging, riethen Don Roderich, die Ankunft regelmäßigerer Truppen zu erwarten, welche in Iberien, Cantabrien und dem gothischen Gallien ihre Quartiere hatten; diesem Rath

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