Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
Kinder trieb ihn vorwärts.
Endlich erreichte er die Stelle, wo, nach den Berichten, der Schatz versteckt sein mußte. Er sah jedoch, zu seiner großen Bestürzung, daß der Boden der Höhle hier mit Menschenknochen ganz bedeckt lag – ohne Zweifel die Reste von Abenteurern, gleich ihm, welche hier in Stücke zerrissen worden waren.
Nun verließ ihn sein ganzer Muth; er kehrte um und suchte wieder aus der Höhle zu kommen. Schauer häuften sich um ihn, als er floh. Er sah scheusliche Phantome rund um sich glänzen und flüstern, und hörte in dem Wiederhall seiner Fußtritte den Klang von Schritten, die ihn verfolgten. Von Schrecken ganz überwältigt, erreichte er seine Wohnung; mehrere Stunden vergingen, bevor er sich so weit erholt hatte, daß er seine Erzählung vorbringen konnte, und am nächsten Tage starb er.
Der scharfsinnige Don Antonio de Roxas hält die Nachricht von dem verborgenen Schatze für märchenhaft, das Abenteuer dieses unglücklichen Mannes aber für sehr möglich, da er von Goldgier oder vielmehr von der Hoffnung, seinem verzweifelten Loose abzuhelfen, geführt worden sein konnte. Auch erklärt er seinen Tod kurz nach seiner Rückkehr für etwas sehr Wahrscheinliches, weil die Dunkelheit der Grotte, ihre Kälte, sein Schrecken bei’m Anblick der Gebeine, die Angst, dem geglaubten Hunde zu begegnen, sich vereinigt hatten, auf einen Mann zu wirken, welcher seine kräftigsten Jahre bereits hinter sich hatte, und dessen Körper durch Armuth und knappe Nahrung sehr geschwächt war, so daß er eine leichte Beute des Todes wurde.
Viele haben geglaubt, diese Höhle sei ursprünglich bestimmt gewesen, der Stadt als ein Weg zu Ausfällen oder als Zuflucht zu dienen, wenn sie eingenommen würde, – eine Ansicht, welche als wahrscheinlich angenommen wird, da die Höhle sehr geräumig und ausgedehnt ist.
Der gelehrte Galazar de Mendoza führt es jedoch in der Geschichte des großen spanischen Kardinals als eine hergestellte Thatsache an, daß Tubal, Japhet’s Sohn und Noah’s Enkel, die Höhle zuerst in den Fels habe hauen lassen, und daß später Herkules, der Egyptier, welcher, nachdem er seinen Pfeiler in der Meerenge von Gibraltar aufgerichtet, seine Wohnung hier aufgeschlagen, sie ausgebessert und bedeutend vergrößert habe. Auch unterrichtete er hier, der Sage nach, seine Begleiter in der Magie und lehrte sie jene übernatürlichen Künste, mittelst deren er seine mächtigen Thaten vollbrachte.
Andere glauben, sie sei ein dem Herkules geweihter Tempel gewesen, wie dies, dem Pomponius Mela zufolge, mit der großen Höhle in dem Felsen von Gibraltar der Fall war; gewiß ist es, daß sie stets den Namen »die Höhle des Herkules« getragen hat.
Auch fehlt es nicht an Männern, welche behauptet haben, sie sei ein Werk, welches aus den Zeiten der Römer herstamme, und ihre Bestimmung sei gewesen, als Kloake oder Kanal für die Stadt zu dienen; eine solche gemeine Ansicht wird der Leser jedoch, nachdem er von den edlern Zwecken, welchen diese wunderbare Höhle geweiht war, gehört hat, mit der Wegwerfung behandeln, die sie verdient.
Aus allen diesen Umständen, welche wir aus gelehrten und geachteten Schriftstellern hier angeführt haben, ist es wohl für Jeden einleuchtend, daß Toledo eine an Wundern sehr fruchtbare Stadt ist, und daß der Zauberthurm des Herkules sich einer festern Grundlage erfreut, als die meisten Gebäude von ähnlicher Bedeutsamkeit in der alten Geschichte.
Der Verfasser dieser Blätter wagt es, das Ergebniß seiner persönlichen Untersuchungen in Bezug auf die in Frage stehende weitberühmte Höhle hier anzufügen.
In Gesellschaft einer kleinen Schaar von Alterthumsjägern, unter welchen sich ein berühmter britischer Maler [Fußnote: Herr D. Wilkin. – Der Verf. ] und ein englischer Edelmann [Fußnote: Lord Mahon. – Der Verf. ] befand, welcher sich seitdem selbst durch Untersuchungen über die Geschichte Spaniens ausgezeichnet hat, durchstreifte ich im Jahre 1826 die Stadt Toledo; wir richteten unsere Schritte der Kirche von San Gines entgegen und erkundigten uns nach der Thüre zu der geheimen Höhle. Der Sakristan war ein zungenfertiger und mittheilsamer Mann, der in Bezug auf Alles, was er wußte, gar nicht sehr haushälterisch oder geizig zu Werke ging oder bei Herzählung aller zu seiner Kirche gehörigen Wunder mundfaul war. Er erzählte jedoch, er habe gehört, unmittelbar unter dem Eingang in die Kirche sei ein gemauerter Bogen, wahrscheinlich der obere
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