Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
nirgends geschah dies mit größerem Erfolg, als in der Stadt Toledo. Daher hatte diese Stadt stets eine düstere Berühmtheit wegen magischer Weisheit, so daß die Franzosen, und mit ihnen andere Nationen, die Zauberkunst auch Toledanische Kunst (
arte Toledana
) nannten.
Allein unter allen Wundern dieser alten, malerischen, romantischen und zauberischen Stadt übertrifft in neuern Zeiten keines die Höhle des Herkules, sofern wir nämlich der Nachricht des Don Pedro de Roxas Glauben beimessen. Der Eingang zu dieser Höhle befindet sich in der Kirche von San Gines, welche fast in dem höchsten Theile der Stadt liegt. Massive Thore führen in das Innere; diese Thore öffnen sich in den Mauern der Kirche, werden aber stets streng verschlossen gehalten. Die Höhle läuft unter der Stadt und unter dem Bette des Tajo fast drei Meilen jenseits des Flusses fort. An vielen Stellen ist die Bauart bewundernswerth; sie besteht hier aus kleinen, zierlich behauenen Steinen und wird von Säulen und Bogen getragen.
In dem Jahre fünfzehnhundert sechs und vierzig erhielt der Erzbischof und Kardinal Martinez Silizeo Nachricht von dieser Höhle, und da er neugierig war, sie zu untersuchen, befahl er, den Eingang aufzuräumen. Eine Anzahl Leute, mit Lebensmitteln, Laternen und Stricken versehen, gingen nun in das Innere, und nachdem sie eine halbe Stunde vorgeschritten waren, kamen sie zu einer Stelle, wo sie auf eine Art Kapelle oder Tempel mit einem Tische oder Altar stießen und wo viele Bronzestatuen in Nischen oder auf Fußgestellen umherstanden.
Während sie diesen geheimnißvollen Schauplatz der alten Gottesverehrung oder der Zauberei betrachteten, stürzte eine der Statuen mit einem Getöse, welches in der Höhle dumpf wiederhallte und die Herzen der Abenteurer mit Furcht und Schrecken erfüllte. Als sie sich von ihrer Angst erholt hatten, schritten sie weiter, wurden aber bald wieder durch ein Rauschen und Brüllen erschreckt, das zunahm, je weiter sie vordrangen. Dies rührte von einem wüthenden und schäumenden Bache her, dessen schwarzes Wasser zu tief und breit und reißend war, als daß sie es hätten überschreiten können. Ihre Herzen waren jetzt so erstarrt, daß sie unvermögend waren, einen andern Weg zu suchen, auf welchem sie weiter hätten gelangen können; sie kehrten also um und verließen eiligen Schrittes die Höhle.
Die Nacht brach schon an, als sie aus der Höhle kamen, und die Angst, welche sie ausgestanden hatten, und die kalte, dumpfige Luft der Tiefe, gegen welche sie um so empfindlicher waren, als man sich im hohen Sommer befand, hatte sie so angegriffen, daß sie sich sämmtlich krank fühlten, und mehrere von ihnen starben. Die Geschichte berichtet nicht, ob der Erzbischof entmuthigt wurde, seine Nachforschungen fortzusetzen und seine Neugierde zu befriedigen.
Alonso Telle de Meneses erzählt in seiner Weltgeschichte: nicht lange vor seiner Zeit habe ein Knabe von Toledo, dem sein Herr mit einer scharfen Strafe bedroht, die Flucht ergriffen und sich in diese Höhle versteckt. Da er glaubte, sein Verfolger sei ihm auf den Fersen, achtete er weder der Dunkelheit, noch der Kälte der Höhle, sondern tappte auf das Gerathewohl vorwärts, bis er drei Stunden von der Stadt in’s Freie kam.
Nach einer andern, sehr beliebten Sage von dieser Höhle, welche unter dem gemeinen Volke gäng und gebe ist, liegen große, von den Römern zurückgelassene Schätze Goldes in ihren fernen Schlupfwinkeln verborgen. Wer diesen kostbaren Hort heben will, muß durch viele Wölbungen oder Grotten gehen, in deren jeder etwas eigenthümlich Schreckhaftes ist, und welche alle unter der Hut eines wilden Hundes stehen, der den Schlüssel zu sämmtlichen Thüren habe und Tag und Nacht Wache hält. Wenn sich Jemand nähert, zeigt er seine Zähne und erhebt ein scheusliches Geheul; noch kein goldgieriger Abenteurer hat aber bis jetzt den Muth gehabt, einen Kampf mit diesem schrecklichen Cerberus zu wagen.
Der unerschrockenste Bewerber, dessen man gedenkt, war ein armer Mann, welcher Alles, was er besessen, verloren und eine Frau und eine große Menge Kinder – diese mächtigen Hebel zu verzweifelten Unternehmungen – zu Haus hatte. Als er von den Schätzen in der Höhle hörte, beschloß er, sich allein in die Tiefe derselben zu wagen und den Hort zu heben. Demnach ging er hinein und irrte, vor Schrecken außer sich, viele Stunden darin umher. Oft war er nahe daran, umzukehren, aber der Gedanke an seine Frau und seine
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