Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
großer Ausdehnung und hatte geräumige Höfe und Kreuzgänge. Die Thore waren stark und mit Riegeln und Barren vermacht; die Mauern hatten eine außerordentliche Dicke; die Fenster waren hoch und mit Gittern versehen; auch fehlte es nicht an einem großen Wasserbehälter oder einer Cisterne, und die Mönche, welche aus der Stadt geflohen waren, hatten einen guten Vorrath von Lebensmitteln zurückgelassen.
Pelistes beschloß daher, hier festen Fuß zu fassen und Alles zu thun, um sich so lange zu halten, bis Unterstützung aus irgend einer andern Stadt eintreffen würde. Sein Entschluß wurde von seiner treuen Schaar mit großem Jubel aufgenommen; denn es war nicht Einer unter ihnen, der nicht bereit gewesen wäre, sein Leben dem Dienste seines Anführers zu weihen.
Viertes Kapitel.
Vertheidigung des Klosters St. Georg durch Pelistes.
Drei lange und ängstliche Monate vertheidigte der gute Ritter Pelistes und sein wackeres Häuflein ihren heiligen Zufluchtsort gegen die wiederholten Angriffe der Ungläubigen. Die Fahne des wahren Glaubens wehte stets von dem höchsten Thurme, und während der Nacht brannten Fackeln dort, als Signale, welche das Land umher von der Noth der Belagerten unterrichten sollten. Der Wächter dieses Thurmes heftete ein sorgfältiges Auge auf das Land umher; denn in jeder Staubwolke, die aufstieg, hoffte man, die schimmernden Helme christlicher Krieger zu entdecken. Allein das Land war und blieb einsam und verlassen, oder, wenn man jemals ein menschliches Wesen entdeckte, so war es ein arabischer Reiter, welcher über die Ebene des Guadalquivir so furchtlos dahin jagte, als wenn er auf seiner heimischen Wüste wäre.
Allmählich gingen die Vorräthe des Klosters aus, und die Ritter mußten ihre Rosse eines nach dem andern schlachten, um nicht zu verhungern. Ohne zu murren, erduldeten sie das verheerende Elend der Hungersnoth und zeigten ihrem Anführer stets lächelnde Mienen. Pelistes aber las ihre Leiden in ihren bleichen, abgezehrten Gesichtern und fühlte mehr für sie, als für sich selbst. Es that ihm im tiefsten Herzen weh, daß so viele Biederkeit und Tapferkeit nur zu Knechtschaft oder Tod führen sollte, und er beschloß, einen verzweifelten Versuch zu ihrer Rettung zu wagen. Eines Tages rief er sie in dem Hofe des Klosters zusammen und entdeckte ihnen seinen Vorsatz.
»Kameraden und Waffenbrüder,« sagte er, »es ist vergeblich, tapfern Leuten die Gefahr zu verhehlen. Unsere Lage ist eine verzweifelte; unsere Landsleute kennen sie entweder nicht, oder bekümmern sich nicht darum, oder haben die Mittel nicht, uns zu helfen. Es gibt für uns nur ein Rettungsmittel: es ist voller Gefahr, und ich nehme, als euer Anführer, das Recht, ihr Trotz zu bieten, für mich in Anspruch.«
»Morgen mit dem Anbruche des Tages verlasse ich das Kloster und begebe mich in dem Augenblicke an die Thoren der Stadt, wo sie geöffnet werden. Niemand wird auf einen einzelnen Reiter Verdacht werfen; man wird mich für einen jener abtrünnigen Christen halten, welche sich auf verächtliche Weise dem Feinde zugesellt haben. Wenn es mir gelingt, aus der Stadt zu kommen, werde ich nach Toledo eilen, um dort Hülfe zu suchen. Was auch geschehen mag, ich werde in weniger als zwanzig Tagen zurück sein. Richtet ein wachsames Auge auf den nächsten Berg. Wenn ihr auf seinem Gipfel fünf Lichter seht, so seid gewiß, daß ich mit Hülfe zur Hand bin, und rüstet euch, die Stadt anzugreifen, während ich die Thore stürme. Sollte es mir nicht gelingen, Beistand zu erlangen, so werde ich zurückkehren, um mit euch zu sterben.«
Als er geendigt hatte, erboten sich die Krieger, einer um den andern, das Abenteuer zu bestehen, und widersetzten sich lebhaft seinem Entschlusse, sich selbst solcher Gefahr preiszugeben; er war aber in seinem Vorsatz unerschütterlich.
Am nächsten Morgen vor Tagesanbruch wurde sein Roß gezäumt in den Klosterhof geführt, und Pelistes erschien in voller Rüstung. Er versammelte seine Getreuen in der Kirche und betete eine Zeitlang mit ihnen vor dem Altar der Mutter Gottes. Dann erhob er sich und sprach, in ihre Mitte tretend:
»Gott weiß es allein, meine Gefährten, ob wir fortan noch ein Vaterland haben! Haben wir keine Heimath mehr, so wäre es besser, wir lägen in unsern Gräbern. Redlich und treu seid ihr gegen mich gewesen und treu wart ihr gegen meinen Sohn, selbst bis zur Stunde seines Todes; und es schmerzt mich, daß ich kein anderes Mittel habe, meine Liebe zu euch
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