Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
andern seiner Waffengefährten, gezwungen worden wäre, in fremden Ländern zu irren, würde ich in seiner düstern Verbannung zu ihm eilen, und wir würden mit einander über das Unglück unseres Vaterlandes trauern.«
Diese Klage des guten Pelistes erschütterte selbst die Herzen der arabischen Krieger, und sie sprachen:
»Wer war dieser unvergleichliche Freund, welchem dein glühendes Lob gilt?«
»Sein Name,« versetzte Pelistes, »war Graf Julian.«
Die sarazenischen Krieger standen überrascht.
»Edler Ritter,« riefen sie, »hat der Gram deine Sinne verdüstert? Sieh, dein Freund lebt und steht hier vor dir, und dennoch erkennst du ihn nicht! Dieser Mann – dieser Mann hier ist Graf Julian!«
Darauf wandte Pelistes seine Augen auf den Grafen und betrachtete ihn eine Zeitlang mit stolzer und strenger Miene; und das Antlitz des Grafen verdüsterte sich und zeigte die Unruhe seines Herzens, und sein Auge sank vor dem Blicke dieses biedern und ehrenhaften Ritters. Und Pelistes sagte:
»In dem Namen Gottes befehle ich dir, unbekannter Mann, mir zu antworten. Wagst du es, dich Graf Julian zu nennen?«
Der Graf erglühte vor Zorn bei diesen Worten.
»Pelistes,« sagte er, »was bedeutet dieses Possenspiel? Du kennst mich wohl; du weißt, daß ich Graf Julian bin.«
»Ich weiß, daß du ein elender Lügner bist!« rief Pelistes. »Graf Julian war ein edler gothischer Ritter; du aber erscheinst in zweideutiger maurischer Tracht. Graf Julian war ein Christ, fromm und treu; in dir aber sehe ich einen Abtrünnigen und Ungläubigen. Graf Julian war seinem König stets ehrenvoll ergeben, und der Erste, wo es das Wohl seines Vaterlandes galt; lebte er, er würde der Erste sein, der seinen Schild um den Hals schlänge und seine Lanze in die Hand nähme, um das Land von den Eindringlingen zu befreien; – du aber bist ein grauköpfiger Verräther! deine Hände sind mit dem königlichen Blute der Gothen befleckt, und du hast dein Vaterland und deinen Gott verrathen! Daher wiederhole ich es, unbekannter Mann, wenn du sagst, du seiest Graf Julian, so lügst du! Ach, mein Freund ist todt, und du bist wohl ein böser Geist der Hölle, welcher sich seiner Gestalt bemächtigt hat, um sein Andenken zu entehren und ihn zum Abscheu der Menschen zu machen.«
Bei diesen Worten wandte Pelistes dem Verräther den Rücken und ging aus der Halle, während Graf Julian in peinlicher Verwirrung dastand, ein Gegenstand der Verachtung aller sarazenischen Häuptlinge.
Sechstes Kapitel.
Wie Tarek el Tuerto die Stadt Toledo durch Hülfe der Juden einnahm, und wie er die berühmte magische Tafel Salomon’s fand.
Während sich dies zu Cordova begab, richtete der einäugige arabische Feldherr Tarek Ben Zeyad, nachdem er die Stadt und die Vega von Granada unterjocht und die Berge der Sonne und der Luft unter seine Botmäßigkeit gebracht hatte, seinen Zug in das Innere des Königreichs, um die alte Stadt Toledo, die Residenz der gothischen Könige, anzugreifen.
Der Schrecken, welchen die reißenden Siege der Moslemen verbreiteten, war so groß, daß schon bei dem blosen Gerüchte von ihrer Annäherung viele der Bewohner, obgleich sie sich in der festesten Stadt des Königreichs befanden, ihre Mauern verließen und mit ihren Familien in die Berge entflohen. Die Zahl der Zurückbleibenden war jedoch groß genug, um eine furchtbare Schutzwehr darzubieten, und da die Stadt auf einen hohen Fels gebaut, von massiven Mauern und Thürmen umgeben und fast ganz von dem Tajo umgürtet war, drohete sie, einen langen Widerstand zu leisten. Die arabischen Krieger schlugen ihre Zelte in der Vega an den Ufern des Flusses auf und schickten sich zu einer langwierigen Belagerung an.
Während Tarek eines Abends in seinem Zelte saß und über die Art nachdachte, wie er diese felsenthronende Stadt angreifen sollte, brachten einige der Rundwachen des Lagers einen Fremden vor ihn.
»Als wir unsere Runde machten,« sprachen sie, »sahen wir, wie dieser Mann an Stricken von einem Thurme herabgelassen wurde. Er überlieferte sich uns freiwillig und bat, wir mögten ihn vor dich führen, da er dir gewisse Dinge mitzutheilen hätte, welche dir sehr wichtig seien.«
Tarek heftete sein Auge auf den Fremden. Er war ein jüdischer Rabbi mit einem langen Bart, der über sein grobes Gewand floß und bis auf seinen Gürtel niederging.
»Was hast du mir zu entdecken?« fragte er den Israeliten.
»Was ich dir zu sagen habe,« versetzte der Andere, »darf nur dein Ohr
Weitere Kostenlose Bücher