Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
derselben waren ein kühner, abgehärteter Stamm, welcher seine Berge als Vesten betrachtete, die nie genommen werden könnten. Aus der ganzen Umgegend waren die Leute in diese natürlichen Verschanzungen geflohen und hatten ihre Heerden herauf getrieben, der sichern Zuflucht sich freuend.
Tarek fühlte wohl, daß die Herrschaft über die Ebenen, die er mit seinen Truppen überzogen, unsicher sein würde, so lange er nicht in diese stolzen Gebirge eingedrungen und sie unterjocht hätte. Er überließ daher Aben Habuz den Oberbefehl über Granada, zog mit seinem Heere durch die Vega und betrat die Schluchten der Sierra, welche nach Süden hinzieht. Die Bewohner flohen mit Entsetzen, als sie die maurischen Trompeten hörten und das Herannahen der beturbanten Reiter gewahrten, und begaben sich tiefer in die Schluchten und Verstecke ihrer Berge.
Während das Heer vorrückte, wurde der Weg rauher, schroffer und beschwerlicher; zuweilen wand er sich große felsige Anhöhen empor, zuweilen führte er steil in tiefe Schluchten, das Bett der Winterbäche, hinab. Die Berge waren ungemein wild und öde in Klippen und Abgründe gesprengt, wo der bunte Marmor zu Tag trat. Zu ihren Füßen waren kleine Thäler, welche mit Lustwäldchen und Gärten geziert, von Silberbächen durchströmt und mit Dörfern und Weilern, freilich jetzt aller ihrer Bewohner baar, bedeckt waren.
Niemand ließ sich sehen, um den Moslemen den Weg streitig zu machen, die ihren Zug mit wachsender Zuversicht fortsetzten; ihre Fahnen wehten von Fels und Klippe, und die Thäler hallten vom Klange der Trompeten, Trommeln und Cymbeln lustig wieder.
Endlich erreichten sie einen Engpaß, wo der Berg aus einander gerissen schien, um einem schäumenden Waldbache Platz zu machen. Der enge, felsige Pfad wand sich an dem schwindelnden Abhang einer Schlucht hin und führte zu einer Stelle, wo eine Brücke über den Abgrund geschlagen war. Es war ein fürchterlicher und düsterer Weg; mächtige Felsstücke hingen drohend über dem Pfad, und drunten brüllte der wilde Waldstrom.
Dieser schaurige Engpaß war in der Kriegsgeschichte jener Gebirge stets berühmt. Ehedem hieß er die Barranca de Tocos und jetzt die Brücke von Tablete.
Das Heer der Sarazenen betrat den Paß furchtlos. Ein Theil hatte die Brücke bereits überschritten und arbeitete sich langsam den zerrissenen Weg auf der andern Seite hinauf, als ein mächtiges Geschrei gehört wurde und plötzlich jeder Felsvorsprung mit wüthenden Feinden bevölkert schien. In einem Augenblicke regnete es eine Fluth von Wurfgeschossen auf die erstaunten Moslemen herab. Pfeile, Speere, Wurfspieße und Steine flogen zischend und pfeifend nieder und lasen sich unter den Reitern die hervorragendsten als Beute aus; dann und wann stürzten große Felsenmassen donnernd die Bergseite nieder, zerschmetterten ganze Reihen auf ein Mal oder warfen Rosse und Reiter über den Rand der Abgründe.
Es war vergeblich, diesem Gebirgskrieg Trotz zu bieten. Die Feinde waren außer dem Bereiche der Pfeile und gegen Verfolgung gesichert, und die Pferde der Araber waren hier eher ein Hinderniß, als ein Beistand. Die Trompeten riefen zum Rückzug, und die Truppen eilten stürmisch und in großer Verwirrung zurück, von dem Feinde heftig bedrängt, bis sie aus dem Engpasse heraus waren.
Tarek hatte gesehen, wie Städte und Vesten sich ohne einen Schwertstreich ergaben, und war wüthend, daß eine blose Horde von Gebirgsbewohnern ihm Trotz zu bieten wagte. Er machte einen zweiten Versuch, in das Gebirge einzudringen, wurde aber zum zweiten Mal überfallen und unter einem furchtbaren Blutbade zurückgeworfen.
Der feurige Sohn Ismael’s schäumte vor Wuth, sich in seiner Siegerbahn aufgehalten und um seine Rache betrogen zu sehen. Er war im Begriff, sein Unternehmen aufzugeben und auf die Vega zurückzukehren, als ein christlicher Landmann sein Lager aufsuchte und vor ihn geführt wurde.
Dieser elende Wicht besaß im Gebirge eine Hütte und ein Fleckchen Landes, und erbot sich, wenn man diese vor der Verwüstung schirmen wollte, dem arabischen Befehlshaber einen Weg anzugeben, auf welchem er seine Reiterschaaren unbelästigt in den Schoos der Sierra einführen und sich das ganze Gebirg unterwerfen könne.
Der Name dieses Schurken war Fantino, und er verdient, daß seiner ewig mit Schmach gedacht werde. Sein Fall ist ein Beispiel, wie sehr es zuweilen in der Gewalt des unbedeutendsten Wesens steht, großes Unheil anzurichten, und wie all der
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