Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
die mit dem Tode, welche den päbstlichen Befehlen nachkommen würden. »Wir werden es nie zugeben,« sagte er, »daß ein fremder Priester mit dreifacher Krone über Unser Land zu herrschen die Anmaßung habe.«
Die Juden waren unter der vorhergehenden Regierung aus dem Lande verbannt worden; Witiza jedoch erlaubte ihnen zurückzukehren und ertheilte sogar ihren Synagogen Privilegien, deren er die Kirchen beraubt hatte. Seit den Tagen, an welchen die Kinder Israels bei ihren Vorbereitungen zu der denkwürdigen Flucht aus Egypten die goldenen Kleinodien und die silbernen Kostbarkeiten von ihren Nachbarn borgten, fehlte es ihnen nie an Gold und Silber und kostbaren Steinen, um damit Handel und Wandel zu treiben. Sie waren daher bei dieser Gelegenheit in den Stand gesetzt, mit Säcken voll Geld und Körben funkelnder Edelsteine, dem reichen Gewinne ihres morgenländischen Verkehrs, den Schutz des Monarchen zu bezahlen.
Das Königreich erfreute sich damals der Ruhe von außen; aber im Inneren gewahrte man Symptome des Mißvergnügens. Witiza erschrak; er erinnerte sich des alten unruhigen Geistes der Nation und ihrer Neigung zu innern Zwistigkeiten. Durch geheime Befehle, die er nach allen Richtungen ergehen ließ, machte er daher die Mehrzahl der Städte wehrlos und zerstörte die Schlösser und Vesten, welche als Vereinigungspunkte für die Parteien hätten dienen können. Auch das Volk entwaffnete er und verwandelte die kriegerischen Waffen in Friedensgeräthe. Es schien in der That, als wenn das tausendjährige Reich über das Land kommen sollte; denn aus dem Schwert machte man eine Pflugschaar und aus dem Speer ein Baum-Messer.
Während auf diese Weise das alte kriegerische Feuer der Nation vertilgt wurde, zerstörte man ihre Moralität nicht minder. Die Altäre waren verlassen, die Kirchen geschlossen; Unordnung und Lüderlichkeit herrschten überall in dem Lande, so daß, den alten Chronikenschreibern zufolge, in der Zwischenzeit weniger kurzer Jahre »Witiza der Gottlose ganz Spanien sündigen gelehrt hatte.«
Zweites Kapitel.
Don Roderich’s Erscheinen – seine Regierung.
Wehe dem Herrscher, welcher durch die Schwäche oder Verderbtheit des Volkes zu regieren hofft! Grade die Maasregeln, welche Witiza anwendete, um seine Macht dauernd zu begründen, machten seinen Sturz gewiß. Während unter dem Einflusse seiner ausschweifenden Herrschaft die ganze Nation in Lasterhaftigkeit und Verweichlichung versank und die Sehne des Krieges abgespannt war, wurde der junge Roderich, Theudofred’s Sohn, in der herben, aber heilsamen Schule des Mißgeschicks zur Thatkraft erzogen. Er lernte die Waffen handhaben, wurde durch Uebungen mannigfacher Art gewandt und kräftig, lernte allen Gefahren trotzen und härtete sich gegen Hunger, Schlaf und die Rauheit der Jahreszeiten ab.
Seine Verdienste und sein Unglück gewannen ihm unter den Römern viele Freunde; und als er, zu kräftigem Alter herangewachsen, es unternahm, die an seinem Vater und seinen Verwandten verübten Unbilden zu rächen, eilte ein Heer braver und kühner Krieger unter seine Fahnen. Mit diesen erschien er plötzlich in Spanien. Die Freunde seiner Familie und die Mißvergnügten aller Stände beeilten sich, ihm sich anzuschließen. In Sturmeseile und ohne Widerstand schritt er in dem unbewaffneten und entnervten Lande vorwärts.
Witiza erkannte zu spät das Unglück, das er sich selbst bereitet hatte. Er hob in der Hast ein Heer aus und begab sich mit schlecht ausgerüsteten und an Kriegszucht nicht gewöhnten Truppen in das Feld, wurde aber mit leichter Mühe geschlagen und gefangen genommen; das ganze Königreich unterwarf sich Don Roderich.
Die alte Stadt Toledo, die königliche Residenz der gothischen Monarchen, war der Schauplatz großer Feierlichkeiten und festlicher Ceremonien bei der Krönung des Siegers. Die Geschichtschreiber können sich nicht darüber vereinigen, ob er, der Sitte der Gothen gemäß, durch Wahl zur Regierung gelangt, oder ob er kraft des Rechts der Eroberung dieselbe an sich riß; alle stimmen aber darin überein, daß die Nation sich seinem Scepter gern unterwarf und unter ihrem neuen Herrscher auf Glück und Wohlgedeihen hoffte. Sein Aeußeres, sein Charakter schienen diese Erwartung zu rechtfertigen. Er war in dem Glanze der Jugend, und seine Erscheinung majestätisch. Sein Herz war kühn und unternehmend und schwoll von stolzen Hoffnungen. Er besaß einen Scharfsinn, welcher die Gedanken der Menschen durchdrang, und
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